Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung der Verpflegungsmehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung auf drei Monate
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist die vergröbernde, die Abwicklung von Massenverfahren erleichternde Typisierung in weitem Umfang von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber darf sich dabei grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Er hat vor allem bei der Ordnung von Massenerscheinungen und deren Abwicklung einen –nicht unbegrenzten – Spielraum für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen.
2. Die Beschränkung des pauschalen Abzugs für Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen aufgrund doppelter Haushaltsführung auf die ersten drei Monate der Abwesenheit ist verfassungsgemäß, da es während dieser Frist nach allgemeiner Lebenserfahrung möglich ist, sich in die Versorgungssituation am neuen Arbeitsort einzufinden.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5, § 9 Abs. 5; LStR R 43 Abs. 8; GG Art. 6, 3 Abs. 1, Art. 12
Nachgehend
Tenor
1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3) Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung pauschaler Mehraufwendungen für Verpflegung des Klägers (Kl).
Der Kl erzielte im Streitjahr als Prokurist Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus Vermietung und Verpachtung. Er wurde mit seiner Ehefrau, der Klägerin (Klin), zusammenveranlagt. Diese bezog im Streitjahr als Personalleiterin Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit und außerdem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
In der Einkommensteuer(ESt)-Erklärung für das Streitjahr machte der Kl als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend, die seit dem 1. August 2002 bestand. Im Einzelnen wurden die folgenden Aufwendungen geltend gemacht:
Miete für die Wohnung am Arbeitsort: |
1.800 EUR |
Nebenkosten für diese Wohnung: |
352 EUR |
Hausratversicherung: |
82 EUR |
Einrichtung der Zweitwohnung: |
288 EUR |
Verpflegungsmehraufwendungen: |
138 Tage × 24 EUR = 3.312 EUR |
|
92 Tage × 12 EUR = 1.104 EUR |
insgesamt: |
6.938 EUR. |
Im ESt-Bescheid vom 7. Juli 2006 erkannte der Beklagte (Bekl) lediglich den Betrag von 2.522 EUR an. Die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen wurden dabei nicht berücksichtigt, da diese nur für die ersten drei Monate nach Aufnahme der Beschäftigung am neuen Beschäftigungsort berücksichtigungsfähig seien.
Mit Schreiben vom 12. Juli 2006 legten die Kl Einspruch gegen den ESt-Bescheid vom 7. Juli 2006 ein. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor, die Begrenzung des Abzugs von Verpflegungsmehraufwendungen auf die ersten drei Monate nach Aufnahme der Tätigkeit am neuen Beschäftigungsort sei wegen Verstoßes gegen Artikel 6 Grundgesetz (GG) verfassungswidrig. Wegen der Einzelheiten wird auf das Einspruchsschreiben der Kl vom 12. Juli 2006 verwiesen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 27. September 2006 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Bekl aus, Mehraufwendungen für Verpflegung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung könnten gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG i.V.m. R 43 Abs. 8 Lohnsteuerrichtlinien (LStR) nicht für mehr als drei Monate gewährt werden. Da der Kl seinen doppelten Haushalt in X am 1. August 2002 begründet habe, sei die Dreimonatsfrist bereits im Jahr 2002 abgelaufen. In dem von den Kl zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 4. Dezember 2002 werde lediglich die Verfassungswidrigkeit der zeitlichen Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung auf zwei Jahre festgestellt. Zur zeitlichen Begrenzung des Abzugs der Verpflegungsmehraufwendungen nehme das BVerfG nicht Stellung.
Mit Schriftsatz ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten vom 23. Oktober 2006 erhoben die Kl Klage. Zur Begründung bezogen sie sich auf den Beschluss des BVerfG vom 4. Dezember 2002 und führten ergänzend aus, dass die zeitliche Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Werbungskosten und damit auch der Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen bei Doppelverdienerehen verfassungswidrig sei, wenn berufsbedingt eine doppelte Haushaltsführung vorliege. Der angefochtene ESt-Bescheid verstoße gegen die durch Art. 3 Abs. 1 GG gewährleistete Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit. Wenn sich der Richtliniengeber in R 43 Abs. 8 LStR dazu entschließe, Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen, müsse dieser Werbungskostenabzug bei Doppelverdienerehen auch über die Dreimonatsfrist hinaus ...