Entscheidungsstichwort (Thema)
Aktivierung eines Vorsteuererstattungsanspruchs
Leitsatz (redaktionell)
Wird der Vorsteuererstattungsanspruch vom FA bestritten, ist nach dem Vorsichtsprinzip die Forderung in der Bilanz des Unternehmers nicht zu aktivieren.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 1; HGB § 252 Abs. 1 Nrn. 1, 4
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid über Körperschaftsteuer für 2006 vom 31. Januar 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2012 wird dahingehend abgeändert, dass der Gewinn um xxx EUR vermindert wird.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Vorsteuererstattungsanspruch erst mit der Veröffentlichung des diesen bejahenden EuGH-Urteils im Bundessteuerblatt (BStBl) zu aktivieren ist.
Die Klägerin ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft. Ihr vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr ist der Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 30. September.
Im Zusammenhang mit dem Börsengang der Klägerin machte diese in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung wurde dieser Vorsteuerabzug in Höhe von xxx DM (= xxx EUR) im Umsatzsteuerbescheid vom 2. März 2004 nicht anerkannt. Der diesbezügliche Einspruch ruhte mit Hinweis auf die beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen V R 84/01 bzw. Europäischen Gerichtshof (EuGH) unter dem Az.: C-465/03 anhängigen Verfahren.
Im Urteil vom 26. Mai 2005 entschied der EuGH dieses Verfahren im Sinne der Klägerin.
In der Niederschrift über die Umsatzsteuer-Hauptsachgebietsleiter-Besprechungen 1. Halbjahr 2005 der Oberfinanzdirektion (OFD) Y (Verfügung vom 8. Juli 2005), auf die Bezug genommen wird (Bl. 59 bis 61 d.A.), wird zum o.g. EuGH-Urteil wie folgt ausgeführt:
„Das Urteil betrifft ein Verfahren vor den österreichischen Gerichten und hat daher keine unmittelbare Wirkung auf die Rechtsanwendung im Inland. Beim BFH ist noch ein Verfahren (Az.: V R 84/01) anhängig. In gleichgelagerten Fällen können Einspruchsverfahren weiter ruhen und Aussetzung der Vollziehung gewährt werden.”
Unter Bezugnahme auf diese Verfügung fertigte ein Mitarbeiter der Klägervertreter am 21. Dezember 2005 einen Aktenvermerk (auf den Bezug genommen wird, Bl. 62 d.A.), über ein Telefonat mit dem Bediensteten A., wonach dieser das Verfahren ruhen lasse, bis er Anweisung von der OFD erhalte. Die vollständige Verfügung wurde den Prozessbevollmächtigten erst im Zuge der Vorbereitung des Klageverfahrens durch den Beklagten zur Verfügung gestellt.
Das Verfahren Az.: V R 84/01 wurde in den Registern des BFH gelöscht, nachdem die dortige Klägerin Insolvenz angemeldet hatte (Vorverfahren: FG Nürnberg, Urteil vom 30. Januar 2001 II 453/2000, EFG 2001, 1572).
Am 23. März 2006 teilte der Bedienstete B. (OFD Y) der zuständigen Mitarbeiterin der Klägervertreterin zunächst telefonisch mit, die Bund-Länder-Arbeitsgruppe unternehme in dieser Sache aufgrund des anhängigen BFH-Verfahrens Az V R 84/01 momentan nichts. Nachdem ihm mitgeteilt worden war, dass das Verfahren zwischenzeitlich aufgrund Konkurses erledigt sei, äußerte er sich dahingehend, dass der Klägerin nur der Klageweg verbleibe.
Am 31. März 2006 fertigte der Bedienstete C. (Hauptsachgebietsleiter Umsatzsteuer) einen Aktenvermerk. Nach Rücksprache u.a. mit einem Bediensteten der OFD Y am Rande einer Umsatzsteuerfortbildung sollte der hiesige Fall weiter ruhen; die OFD warte Lösungsvorschläge auf Bundesebene ab. Vermutlich wolle das BMF ein BFH-Urteil, damit der Vorsteuerabzug anerkannt werde. Herr D. (Rechtsbehelfsstelle des Beklagten) zeichnete diesen Vermerk zur Kenntnis ab.
In der Niederschrift über die Umsatzsteuer-Hauptsachgebietsleiter-Besprechungen 2006 der OFD Y vom 1. Juni 2006 wird unter Tz. 3.27 bezüglich des Vorsteuerabzugs bei der Ausgabe neuer Aktien danach unterschieden, ob die Ausgabe der Aktien der allgemeinen wirtschaftlichen Stärkung des Unternehmens bzw. die hieraus zugeflossenen Mittel der Erweiterung oder Stärkung eines bestimmten Geschäftsbereichs diente (Bl. 63, 64 d.A.). Diese Verfügung vom 1. Juni 2006 wurde den Klägervertretern erst in 2012 bekannt.
Nach dem streitgegenständlichen Bilanzstichtag (30.9.2006) erklärte das BMF im Schreiben vom 4. Oktober 2006 (BStBl I 2006, 614) das EuGH-Urteil vom 26. Mai 2005 für anwendbar. Daraufhin half der Beklagte dem Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid mit Bescheid vom 26. April 2007 ab.
Zum 30. April 2007 buchte die Klägerin den Vorsteuererstattungsanspruch zzgl. festgesetzter Zinsen in Höhe von xxx EUR ein.
Am 18. ...