Entscheidungsstichwort (Thema)
Durchführung einer Zusammenveranlagung anstelle der beantragten besonderen Veranlagung als offenbare Unrichtigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Die in § 129 AO unter den dort genannten Voraussetzungen vorgesehene Berichtigung kann auch durch Aufhebung eines Steuerbescheids erfolgen.
2. Führt das Finanzamt anstelle der beantragten besonderen Veranlagung eine Zusammenveranlagung durch, so kommt eine Aufhebung des Bescheids nach § 129 AO nicht in Betracht, wenn Ursache des Fehlers nicht allein das Übersehen des entsprechenden Kreuzes im Mantelbogen war, sondern sich dem Bearbeiter weitere Überlegungen hätten aufdrängen müssen, denen er entweder bewusst ausgewichen ist oder aber nicht in der gebotenen Weise Rechnung getragen hat. Anlass solcher Überlegungen hätten im Streitfall insbesondere die fehlende Unterschrift des Ehemanns, fehlende Angaben zu seinen Einkünften trotz der Berufsbezeichnung „Beamter” sowie der Antrag auf einen Haushaltsfreibetrag sein können.
3. Es ist nicht Zweck des § 129 AO, alle mit einer allzu raschen Bearbeitung einhergehenden Veranlagungsfehler auszubügeln.
Normenkette
AO § 129; EStG 1997 §§ 26b, 26c
Nachgehend
Tenor
1. Der Aufhebungsbescheid vom 08. November 2001 sowie die Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2002 werden aufgehoben.
2. Das Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, darf sie nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des darin festgesetzten Erstattungsbetrages erfolgen. In anderen Fällen kann das FA die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des festgesetzten Erstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines auf der Grundlage des § 129 der Abgabenordnung (AO) ergangenen Aufhebungsbescheids.
Die Klägerin ist seit dem 29. September 2000 in zweiter Ehe verheiratet. In ihrem Haushalt lebte auch ihr 1989 geborener Sohn aus erster Ehe, S. Für das Streitjahr 2000 reichte sie am 19. Februar 2001 unter ihrer bisherigen Steuernummer … beim beklagten Finanzamt (FA) mit dem Datum vom 13.02.2001 eine – nur – von ihr unterzeichnete Einkommensteuererklärung ein, in deren Mantelbogen sie in den mit Steuerpflichtige Person (Stpfl.), bei Ehegatten: Ehemann überschriebenen Zeilen 2 bis 6 zunächst ihre eigenen persönlichen Daten und anschließend daran in den mit Ehefrau überschriebenen Zeilen 8 bis 10 Vor- und Zuname, Geburtsdatum, Religionszugehörigkeit und Beruf ihres Ehemannes eintrug. In der nur von Ehegatten auszufüllenden Zeile 12 kreuzte sie von den drei dort vorgesehenen Veranlagungsformen die Alternative „Besondere Veranlagung für das Jahr der Eheschließung” an. Die Erklärung enthält abgesehen von den vorerwähnten allgemeinen Angaben nur Angaben zu ihren eigenen Besteuerungsgrundlagen, nicht hingegen zu solchen ihres Ehemannes. Mit der Erklärung verbunden war ein Antrag auf Festsetzung einer Arbeitnehmer-Sparzulage.
Am 11. April 2001 führte das FA unter der neuen Steuernummer … eine Veranlagung der Eheleute zur Einkommensteuer 2000 durch. Das hierüber erstellte – weder vom Sachgebietsleiter noch vom Bearbeiter unterzeichnete – Eingabeprotokoll ist als Blatt 9 in der ESt-Akte der Klägerin abgeheftet; auf dessen Inhalt wird Bezug genommen. Aufgrund dieser Eingaben wurde ein an die Klägerin und ihren Ehemann gerichteter und auf den 18.4.2001 datierter Bescheid erstellt und den Eheleuten zugesandt. In diesem Bescheid sind Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für 2000 jeweils mit 0 DM sowie eine „Sparzulage Ehemann” mit – 160,00 DM festgesetzt worden. Bei der Darstellung der Besteuerungsgrundlagen, auf die wegen aller Einzelheiten verwiesen wird, sind die Lohneinkünfte der Klägerin unter der Spaltenüberschrift „Ehemann” ausgewiesen, unter der Spaltenüberschrift „Ehefrau” sind keine Einkünfte dargestellt. Bei der Berechnung der Einkommensteuer ist angegeben, dass die Splittingtabelle angewandt wurde. Der Bescheid blieb in der Folgezeit unangefochten.
Auch der Ehemann der Klägerin reichte am 19. Februar 2001 – unter seiner bisherigen Steuernummer … – eine Einkommensteuererklärung für 2000 ein. In den für die allgemeinen Angaben vorgesehenen Zeilen 2 bis 6 hat er seine eigenen persönlichen Daten und in den Zeilen 8 bis 10 diejenigen seiner Ehefrau eingetragen. Auch er hat eine besondere Veranlagung für das Jahr der Eheschließung beantragt. Diese ist auch antragsgemäß durchgeführt, der nur an ihn adressierte Bescheid am 08.5.2001 zur Post gegeben und bestandskräftig worden.
Aufgrund eines Abgleichs der Veranlagungslisten der Veranlagungsteilbezirke einerseits und der Arbeitnehmer-Stellen andererseits stellte...