rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Erstattung auch der Einkommensteuer-Vorauszahlungen bei Aufhebung eines wirksamen Jahressteuerbescheids nach Ablauf der Festsetzungsfrist. Erstattung von Einkommensteuer 1981

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird nach Ablauf der Festsetzungsfrist die vermeintliche Nichtigkeit des Einkommensteuerjahresbescheides geltend gemacht und hebt das FA deswegen rechtsirrtümlich den tatsächlich wirksamen Steuerbescheid auf, so lebt dadurch der frühere Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid nicht wieder auf, so dass dem Steuerpflichtigen auch die Vorauszahlungen zu erstatten sind.

Die Grundsätze von Treu und Glauben stehen der Geltmachung des Erstattungsanspruchs des Steuerpflichtigen nicht entgegen, wenn der entscheidungserhebliche Sachverhalt unstreitig vollständig und wahrheitsgemäß offen gelegt worden ist und sich das FA zu Unrecht der rechtlich falschen Würdigung des Steuerpflichtigen (hier: Nichtigkeit aufgrund Adressierungsmangels) angeschlossen hat.

 

Normenkette

AO § 37 Abs. 2, § 124 Abs. 2, §§ 125, 218 Abs. 2; EStG §§ 36-37

 

Tenor

1. Unter Abänderung des Abrechnungsbescheids vom 6. September 1991 werden folgende der Klägerin vom Finanzamt zu erstattende Beträge festgesetzt:

Einkommensteuer 1981

200.649,00 DM

= 102.589,82 Euro

Kirchensteuer 1981

15.657,00 DM

= 8.005,27 Euro

2. Das Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens

3. Das Urteil ist für die Klägerin hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Das Finanzamt kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, falls die Klägerin nicht ihrerseits Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist seit dem 19. Mai 1983 verwitwet. Aufgrund eines wirksamen Vorauszahlungsbescheides leistete ihr verstorbener Ehemann im Jahr 1981 u.a. Vorauszahlungen auf die Einkommensteuerschuld für 1981 i.H.v. 200.649 DM und Vorauszahlungen auf die evangelische Kirchensteuerschuld für 1981 i.H.v. 15.657 DM. Der Einkommensteuerbescheid für 1981 vom 14. Dezember 1983 lautete auf „Herrn und Frau G. Dr. Dieter”. Er wies im Abrechnungsteil Einkommensteuer i.H.v. 247.445 DM und Kirchensteuer i.H.v. 19.443,30 DM aus.

Im Jahr 1989 beantragte die Klägerin u.a. die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für 1981, weil nach ihrer Meinung die Adressierung fehlerhaft und der Bescheid daher nichtig sei. Nachdem das FA zunächst eine andere Rechtsauffassung vertreten hatte, bestätigte es der Klägerin mit Schreiben vom 30. August 1989, dass (auch) der Einkommensteuerbescheid für 1981 vom 14. Dezember 1983 unwirksam sei. Die im Jahr 1984 geleistete Nachzahlung könnte erstattet werden, nicht jedoch die in 1983 erbrachten Vorauszahlungen.

Mit Verfügung vom 15. November 1989 hob das FA u.a. den Einkommensteuerbescheid 1981 „gemäß § 172 Abgabenordnung (AO)” auf und erstattete im Januar 1990 die aufgrund dieses Jahressteuerbescheides im Jahr 1984 entrichteten Nachzahlungen i.H.v. 46.796 DM Einkommensteuer und 3.786,30 DM Kirchensteuer. Mit Schreiben an das Finanzamt (FA) vom 4. September 1991 mahnte die Klägerin u.a. die Entscheidung über die „Erstattung der für 1981 entrichteten Vorauszahlungen” an. Mit Abrechnungsbescheid vom 9. September 1991 lehnte das FA den Erstattungsantrag förmlich ab und begründete dies damit, dass der Erstattungsanspruch mit Ablauf des Kalenderjahres 1986 wegen Zahlungsverjährung erloschen sei, da der erstmalige Erstattungsantrag vom 30. März 1990 datiere.

Hiergegen legte die Klägerin mit der Begründung Einspruch ein, sie habe bereits mit Schreiben vom 5. September 1989 unmissverständlich darum gebeten, die Steuerzahlungen zu erstatten. Das FA ließ das Einspruchsverfahren mit Zustimmung der Klägerin ruhen bis zum Abschluss der Klageverfahren 2 K 218/94 und 2 K 219/94. Diese Verfahren endeten durch klageabweisende Urteile vom 18. Dezember 1996.

Mit Entscheidung vom 13. Februar 2001 wies das FA den Einspruch gegen den Abrechnungsbescheid vom 6. September 1991 zurück und begründete dies im Wesentlichen wie folgt: Nach § 37 Abs. 2 AO bestehe ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, wenn eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt oder wenn der rechtliche Grund für die Zahlung später weggefallen sei. Nach der sogenannten formellen Rechtsgrundtheorie, die der Bundesfinanzhof (BFH) insbesondere nach Inkrafttreten der AO 1977 vertrete, sei ohne rechtlichen Grund geleistet, wenn der Leistungsempfänger nach formellem Recht auf die Zahlung keinen Anspruch habe. Die streitigen Zahlungen seien jedoch nicht ohne rechtlichen Grund erfolgt, da der Vorauszahlungsbescheid, der eine eigenständige Steuerfestsetzung darstelle, formeller Rechtsgrund für die Vorauszahlungen gewesen sei. Dieser Rechtsgrund sei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht weggefallen. Die wirksam festgesetzten Vorauszahlungen hätten durch den Einkommensteuerbescheid vom 14. Dezember 1983 nicht ihre Wirkung verloren, denn nur ein wirksamer Jahressteuerbescheid könne einen Vorauszahlungsbescheid als Rechtsgrundlage ablös...

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