Entscheidungsstichwort (Thema)
Außergewöhnliche Belastung. Kosten für ein Zivil- und Strafverfahren und Kosten für Kleidung, Verpflegung, Unterbringung und einen Umzug
Leitsatz (redaktionell)
1. Als außergewöhnliche Belastungen sind Zivilprozesskosten unabhängig vom Gegenstand des Rechtsstreits nur dann zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat.
2. Das Gericht hat die Gesamtumstände des Einzelfalls – ex ante – dahingehend zu würdigen, ob der Prozess, den der Kläger angestrengt hat, hinreichend Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig geführt worden ist. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reicht nicht aus.
3. Ein Berufungsverfahren wird mutwillig geführt, wenn das Berufungsgericht dem Steuerpflichtigen durch Hinweisbeschluss mitteilt, dass es beabsichtige, die Berufung zurückzuweisen.
4. Aufwendungen für eine Nebenklage in einem Strafverfahren erwachsen nicht zwangsläufig und sind nicht nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen.
5. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflchtige vor dem Amtsgericht zunächst das Adhäsionsverfahren betrieben hat.
6. Kosten für Kleidung, Verpflegung, Unterbringung und einen Wohnungswechsel, die durch die Kündigung der Wohnung wegen Eigenbedarfs entstanden sind, sind nicht als außergewöhnliche Belastung steuerlich zu berücksichtigen, da sie auch allen übrigen Steuerpflichtigen entstehen.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 22. Dezember 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. August 2010 wird dahingehend abgeändert, dass weitere außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 13.824 EUR vor Abzug der zumutbaren Belastung berücksichtigt werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Parteien je die Hälfte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob im Anschluss an einen Räumungsprozess die Kosten für einen Schadensersatzprozess, Hotelkosten, Lagerungskosten sowie Kosten für Kleidung und Verpflegung als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind.
Die Klägerin schloss mit …, Anstalt des öffentlichen Rechts (X), mit Wirkung zum 1. April 1979 einen Arbeitsvertrag und im Juni 1980 einen Mietvertrag über eine „Betriebswohnung” in A, B-Straße 1.
Der … (Y) als Rechtsnachfolger des X teilte der Klägerin mit Schreiben vom 21. Februar 2000 Folgendes mit:
„Die Überlegungen des Y gehen dahin, sich von den Wohnungen in der B-Straße 1 bis 10 zu trennen. Sie haben selbstverständlich ein Vorkaufsrecht an der z.Z. von Ihnen gemieteten Wohnung.”
Letztlich veräußerte Y die Wohnung anderweitig; zum Verlauf der gescheiterten Vertragsverhandlungen zwischen der Klägerin und Y wird auf den Tatbestand des Urteils des Amtsgerichts A vom 8. Februar 2008, Az.: … Bezug genommen.
Der neue Eigentümer der Wohnung kündigte das Mietverhältnis mit der Klägerin wegen Eigenbedarfs zum 31. Juli 2002. Im Verfahren Az. … wurde die Klägerin zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt. Seit ihrem Auszug am 18. August 2004 wohnte die Klägerin – so auch im Streitjahr 2008 – im Hotel.
In der am 21. August 2006 beim Arbeitsgericht A eingegangenen Klage machte die Klägerin einen Schadensersatzanspruch gegen Y wegen der Vereitelung des Vorkaufsrechts gemäß § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Höhe von 102.463,14 EUR geltend; auf die dortige Klageschrift samt Klageerweiterung vom 23. Juli 2007 wird Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht verwies den Rechtsstreit am 1. März 2007 an das Amtsgericht A (Az.: …) und führte aus, Y habe sich der Klägerin gegenüber wegen Verletzung der vertraglichen Nebenpflichten aus § 570b a.F. BGB dem Grunde nach schadensersatzpflichtig gemacht.
Die Klage wurde mittels Urteils vom 8. Februar 2008, auf das Bezug genommen wird, abgewiesen. Ein gesetzliches Vorkaufsrecht im Sinne des § 570b Abs. 1 BGB a.F. bzw. § 577 Abs. 1 BGB n.F. bestehe nicht, da bereits 1971 Wohnungseigentum begründet worden sei, an dem Y ein Jahr später Eigentum erworben habe. Ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht lasse sich dem Schreiben vom 21. Februar 2000 nicht entnehmen. Da die Klägerin bis zur ersten Besichtigung vom 22. Mai bereits über einen Zeitraum von 3 Monaten eine Besichtigung der Wohnung zum Zweck des Verkaufs vereitelt habe, sei Y berechtigt gewesen, sowohl der Klägerin ein Kaufangebot zu unterbreiten als auch parallel nach anderen Kaufinteressenten zu suchen.
Dagegen legte der vormalige Parteivertreter der Klägerin, Herr RA F, beim Landgericht A Berufung ein (Az.: …).
Daraufhin teilte die Kammer im Beschluss vom 14. Mai 2008, auf den Bezug genommen wird, ...