Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Berücksichtigung von Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
1. Kosten für eine Adoption sind auch dann nicht als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensteuer zu berücksichtigen, wenn es den Steuerpflichtigen aus Gründen der primären Sterilität nicht möglich ist, leibliche Kinder zu zeugen, und sie aus ethischen und gesundheitlichen Gründen künstliche Befruchtungsmethoden ablehnen.
2. Die Adoption ist keine auf das Krankheitsbild des Betroffenen abgestimmte Heilbehandlung.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können.
Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Aus Gründen der primären Sterilität ist es ihnen verwehrt geblieben, leibliche Kinder zu zeugen. Aus ethischen und gesundheitlichen Gründen lehnen sie künstliche Befruchtungsmethoden ab. Den Klägern entstanden im Streitjahr Adoptionskosten in Höhe von 8.560,68 EUR, wobei die Adoption eines Kindes erst in den Folgejahren vollzogen werden konnte.
Im Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 24. Juni 2009 erkannte das beklagte Finanzamt (FA) die Adoptionskosten nicht an; Krankheitskosten in Höhe von … EUR wirkten sich infolge der zumutbaren Eigenbelastung in Höhe von … EUR steuerlich nicht aus.
Der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch wurde in der Einspruchsentscheidung vom 16. April 2010, auf die Bezug genommen wird, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) als unbegründet zurückgewiesen.
Dagegen erhoben die Kläger form- und fristgerecht Klage. Im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 16. Dezember 2010 VI R 43/10, BStBl II 2011, 414 seien die Kläger einkommensteuerlich mit denjenigen Fällen gleichzustellen, in denen eine heterologe künstliche Befruchtung durchgeführt worden sei, zumal im Ergebnis beide Elternpaare ein gemeinschaftliches Kind hätten, § 1754 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Im Übrigen beziehen sich die Kläger auf Artikel 2, 3 und 6 des Grundgesetzes (GG). Schließlich habe der Verwaltungsgerichtshof in Österreich bei gleichem Gesetzestext die Adoptionskosten für steuerlich abzugsfähig erklärt, weil die Gesellschaft ein öffentliches Interesse an Kindern habe (Urteil vom 6. Juli 2011).
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 24. Juni 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. April 2010 dahingehend abzuändern, dass nach Abzug der zumutbaren Eigenbelastung außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 393 EUR steuerlich anerkannt werden,
hilfsweise für den Fall des völligen oder teilweisen Unterliegens Zulassung der Revision.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die sich in der finanzgerichtlichen Akte befinden, die vom Finanzamt vorgelegten Steuerakten sowie die Niederschriften über den Erörterungstermin vom 1. September 2011 bzw. den Verhandlungstermin vom 10. Oktober 2011 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
1. Der BFH, dem sich der Senat anschließt, hat die Zwangsläufigkeit von Adoptionsaufwendungen i.S. von § 33 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) anhand der generell zur Auslegung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals in ständiger Rechtsprechung entwickelten Kriterien im Regelfall sowohl aus rechtlichen, aus sittlichen als auch aus tatsächlichen Gründen verneint (vgl. BFH-Entscheidungen in BStBl II 1987, 495, unter
2. a und b der Gründe; in BStBl II 1987, 596; in BFH/NV 1987, 710, und in BFH/NV 1990, 430, unter 2. der Gründe).
Der BFH hat zusätzlich zugunsten von Adoptiveltern die weitere Frage geprüft, ob eine Berücksichtigung derartiger Kosten unter Umständen unter dem Gesichtspunkt von Krankheitskosten bzw. Heilbehandlungsaufwendungen erfolgen könnte. Er hat mangels einer vergleichbaren objektiven Zwangslage allerdings die Frage verneint und die Adoption nicht als eine zielgerichtete medizinische Heilmaßnahme, sondern allenfalls als eine der privaten Lebensführung zuzurechnende Folgemaßnahme i.S. von § 12 Nr. 1 EStG beurteilt (Beschluss vom 17. Mai 2000 III B 71/99, BFH/NV 2000, 1352).
2. Auch das BFH-Urteil vom 16. Dezember 2010 VI R 43/10, BStBl II 2011, 414 führt zu keiner anderen Beurteilung.
a) Dort führt der BFH aus, die künstliche Befruchtung der (gesunden) Ehefrau mit Fremdsamen bezwecke zwar nicht die Beseitigung oder Linderung von Schmerzen oder Beschwerden als Symptomen der Unfruchtbarkeit des Ehemannes. Sie ziele aber –wie auch eine homologe künstliche Befruchtung wegen der Sterilität des Mannes– auf die Beseitigung der Kinderlosigkeit eines Paares. Dieser komme zwar nicht selbst Krankheitswert zu. Sie sei aber im dortigen Streitfall unmittelbare Folge der Erkrankung des Klägers. Da...