Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerblichkeit oder Freiberuflichkeit der Tätigkeit eines Restaurators. Gewerbesteuermessbescheiden 1995 und 1996
Leitsatz (redaktionell)
1. Wer die Tätigkeit eines Restaurators auf dem Gebiet der Fresken, Figuren und Reliefs aus dem Mittelalter bis hin zum Barock ausübt und als Auftraggeber vor allem Landesdenkmalämter und verschiedene staatliche Hochbauämter hat, kann eine einem Künstler ähnliche Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ausüben.
2. Der Steuerpflichtige trägt die Feststellungslast für das Vorliegen eines freien Berufs (hier: Nachweis durch Gutachten eines Hochschulprofessors).
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 15
Nachgehend
Tenor
1. Die Gewerbesteuermessbescheide für 1995 und 1996, beide in der Form der Einspruchsentscheidung vom 15.03.2002, werden ersatzlos aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Finanzamt.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger seine Tätigkeit als Restaurator selbstständig i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausübt oder nicht.
Der Kläger übt seit Beginn der achtziger Jahre die Tätigkeit eines Restaurators auf dem Gebiet der Fresken, Figuren und Reliefs aus dem Mittelalter bis hin zum Barock aus. Die überwiegende Zahl seiner Auftraggeber sind die Landesdenkmalämter … und … sowie verschiedene Staatlichen Hochbauämter in Baden-Württemberg.
Erstmals für die Veranlagungszeiträume 1995 und 1996 forderte das beklagte Finanzamt – FA – den Kläger auf, Gewerbesteuererklärungen einzureichen. Mit Datum 23.03.1998 erlies das FA Gewerbesteuermessbescheide für 1995 (einheitliche Gewerbesteuermessbetrag: 3.620 DM) bzw. für 1996 (einheitlicher Gewerbesteuermessbetrag: 4.240 DM). Den hiergegen eingelegten Einspruch hat das FA mit Einspruchsentscheidung vom 15.03.2000, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet zurückgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 14.04.2000, der am gleichen Tag bei Gericht eingegangen ist, wurde Klage erhoben. Im Wesentlichen wird vorgetragen unter Hinweis auf ein beigefügtes Privatgutachten, dass der Kläger eine einem Künstler ähnliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG ausübe. Hier sei auch der vom Gericht mit Zustimmung beider Beteiligten bestellte Gutachter in seinem Gutachten gekommen.
Der Kläger beantragt,
die Gewerbesteuermessbescheide 1995 und 1996 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 15.03.2000 ersatzlos aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG erfülle. Dem Gutachten könne nicht gefolgt werden.
Mit Beschluss vom 14.01.2002 wurde der Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter nach § 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) übertragen.
Mit Beschluss vom 19.02.2002 wurde auf Vorschlag des … der … der Bildenden Künste … mit der Erstellung eines Sachverständigengutachten zu der Frage, ob der Kläger eine einem Künstler ähnliche Tätigkeit ausübe, beauftragt. Das Gutachten vom 22.08.2003 ist am 27.08.2003 bei Gericht eingegangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die sich in der finanzgerichtlichen Akte befinden, die vom FA vorgelegten Akten sowie die Niederschrift über die Erörterungstermine vom 03.06.2002 sowie die mündliche Verhandlung vom 10.11.2003 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Eine selbstständige Arbeit übt nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich nur derjenige aus, der einen sog. Katalogberuf ausübt. Der Restaurator übt, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, kein Katalogberuf aus, so dass er prima facie keine selbstständige Tätigkeit aus. Im Betracht kommt lediglich die Ausübung „…ähnlicher Berufe” (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 a.E. EStG). Hierbei handelt es sich, wie dem Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 30.03.1994 I R 53/93, BFH/NV 1995, 210 entnommen werden kann, um eine Einzelfallentscheidung, da – was unter den Beteiligten auch unstreitig ist – der Kläger sowohl künstlerisch als auch handwerklich untrennbar miteinander verknüpfte Tätigkeiten im Rahmen seiner Arbeit ausübt.
Nach den Regeln zur Feststellungslast hat derjenige Beteiligte die Nachteile einer Nichterweislichkeit zu tragen, der sich auf eine für ihn günstige Norm beruft. Grundsätzlich trägt damit das FA die Feststellungslast für die steuerbegründenden und der Steuerpflichtige die Feststellungslast für die steuerbefreienden oder -mindernden Tatsachen. Da auch der freie Beruf grundsätzlich die Merkmale eines Gewerbebetriebs (Nachhaltigkeit, Gewinnerzielungsabsicht, Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr) erfüllt und er der Gewerbesteuerpflicht nur dann nicht unterliegt, wenn er die Merkmale des § 18 EStG aufweist, trägt die Feststellungslast für das Vorliegen ein...