Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzungsdauer eines in Massivbauweise von gehobener Qualität errichteten Verbrauchermarkts. keine Anwendung der in Anlage 22 zum BewG aufgeführten typisierten Gesamtnutzungsdauern für Zwecke der Bemessung der Gebäude-AfA
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Schätzung der Nutzungsdauer ist auszugehen von der technischen Nutzungsdauer, also dem Zeitraum, indem sich das Wirtschaftsgut technisch abnutzt. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer kürzer ist als die technische Nutzungsdauer, kann sich der Steuerpflichtige hierauf berufen.
2. Eine mit wirtschaftlicher Abnutzung begründete kürzere Nutzungsdauer kann den AfA nur zugrunde gelegt werden, wenn das Wirtschaftsgut vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer objektiv wirtschaftlich verbraucht ist.
3. Der Ansatz einer von der gesetzlich typisierten Nutzungsdauer abweichenden, kürzeren wirtschaftlichen Nutzungsdauer gemäß § 7 Abs. 4 S. 2 EStG setzt voraus, dass der Steuerpflichtige die Verkürzung als für ihn günstige Tatsache konkret darlegt und greifbare Anhaltspunkte benennt, die im Einzelfall für eine kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer sprechen.
4. Die in Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 S. 3, 190 Abs. 4 S. 2 BewG aufgeführten typisierten wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauern sind auf die Schätzung der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes i. S. d. § 7 Abs. 4 S. 2 EStG nicht anwendbar.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, S. 2; EStDV § 11c Abs. 1; BewG § 185 Abs. 3 S. 3, § 190 Abs. 4 S. 2; BewG Anl. 22
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Vornahme der Absetzungen für Abnutzung (AfA) bei einem Gebäude anstelle der gesetzlich typisierten Nutzungsdauer eine kürzere Nutzungsdauer von 30 Jahren zugrunde gelegt werden kann.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die mit der X. GmbH (GmbH) im Oktober 2008 einen Mietvertrag über einen neuen, erweiterten Einzelhandelsmarkt geschlossen hat. Die GbR errichtete in der Folge in massiver und hochwertiger Bauweise einen eingeschossigen Anbau an ein mehrstöckiges Gebäude, in dessen Erdgeschoss sich schon bisher ein Lebensmittelmarkt befunden hatte. Der erweiterte Einzelhandelsmarkt wurde 2011 fertiggestellt; die Herstellungskosten betrugen einschließlich nachträglicher Herstellungskosten in 2012 rd. 1,5 Mio. EUR. Der Einzelhandelsmarkt hat nach der Erweiterung eine Gebäudenutzfläche von 1.680 m² (s. Präambel des Mietvertrages zwischen der Klägerin und GmbH, FG-Akten Bl. 64).
Die Klägerin begehrte mit den Feststellungserklärungen für die Streitjahre 2011 und 2012 vom 25. März 2013 und vom 18. September 2013 eine AfA von 2,5 % (s. Feststellungs-Akten –Feststellungs-A.– Bl. 39, 62).
Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) stellte die Besteuerungsgrundlagen für die Klägerin mit Bescheiden vom 15. April 2013 für 2011 und vom 28. Januar 2014 für 2012 einheitlich und gesondert fest. Das FA legte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bei der Vornahme der AfA die gesetzlich typisierte Nutzungsdauer von 50 Jahren und einen AfA-Satz von 2 % zugrunde (s. Rechtsbehelfsakten –RbA– Bl. 37 f und Feststellungs-A. Bl. 39 und 62). Die Bescheide wurden gemäß § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen.
Die Klägerin beanstandete (im Zusammenhang mit einer Außenprüfung bei der Firmengruppe der Gesellschafter der Klägerin) die vom FA zugrunde gelegte Nutzungsdauer von 50 Jahren und beantragte mit Schreiben vom 30. April 2014 die Änderung der Feststellungsbescheide für 2011 und 2012. Die Klägerin trug vor, nach den Wertermittlungs-Richtlinien des Bundes und dem Runderlass des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vom 1.12.2001 „Normalherstellungskosten 2000 –NHK 2000–” betrage die Gesamtnutzungsdauer bei Einkaufsmärkten 30 bis 50 Jahre; die Klägerin habe (in ihren Feststellungserklärungen) mit 40 Jahren den mittleren Wert angenommen. Nach den aktuellen Erfahrungen (an anderen Standorten) könnten (derartige) Märkte nach nicht einmal 20 Jahren nicht mehr als solche genutzt werden. Es sei im vorliegenden Fall fraglich, ob nach Ablauf des Mietvertrages und der Ausübung einer Verlängerungsoption durch den Mieter angesichts der Entwicklung der wirtschaftlichen Situation in Y eine wirtschaftliche Nutzungsdauer von 30 oder 40 Jahren erreicht werden könne. Der Standort Y habe im Gegensatz zu umliegenden Gemeinden an Kaufkraft und Wirtschaftsattraktivität verloren. Die vom FA hervorgehobene Bauwerksqualität alleine könne (daher) kein Argument für eine verlängerte Abschreibungsdauer sein, entscheidend sei die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer.
Das FA lehnte den Antrag auf Änderung der Feststellungsbescheide für die Streitjahre mit Bescheid vom 26. Juni 2014 ab. Der dagegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg. Auf die Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2016 wird Bezug genommen (s. RbA Bl. 42). Das FA führte aus, die Klägerin habe weder nachgewie...