rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkte Abzugsfähigkeit der Kosten für die Fahrten eines freiberuflichen Anästhesisten zwischen dem im Privathaus gelegenen Büro und den Betriebsstätten. Einkommensteuer 1992–1994
Leitsatz (redaktionell)
Das im selbstgenutzten Einfamilienhaus ausschließlich über die Privaträume erreichbare Büro eines freiberuflich tätigen Anästhesisten ist nicht als Betriebsstätte gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG i.d.F. vor 1996 anzusehen, so dass die Kosten für die Fahrten zu den Praxisräumen anderer Ärzte, in denen er als Narkosearzt bei ambulanten Operationen tätig ist, nur beschränkt abzugsfähig sind.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob im Privathaus eines freiberuflich tätigen Anästhesisten die Voraussetzungen für eine Betriebsstätte erfüllt sind.
Die Kläger werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger ist freiberuflicher Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin. Er übt diese Tätigkeit als Narkosearzt bei ambulanten Operationen in den Praxisräumen anderer Ärzte aus. Die Eheleute bewohnten in den Streitjahren in –BS– ein Einfamilienhaus mit einer Gesamtnutzfläche von 247,59 m², wovon 28,20 m² (11,39%) von dem Kläger beruflich genutzt wurden. Bei den letzteren Flächen handelt es sich um ein im Erdgeschoss liegendes Büro mit 10,50 m², welches nur über die Diele im Eingangsbereich des Hauses und das Wohnzimmer zu erreichen ist, eine Dusche mit WC im Dachgeschoss mit 5,70 m², welche als Medikamentenraum genutzt wird, sowie weiteren 12 m² in der Garage.
Die Fahrtkosten zu den jeweiligen Praxen der Kollegen wurden von dem Kläger bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit zunächst in voller Höhe als Betriebsausgaben geltend gemacht. Demgegenüber wurden diese Kosten im Rahmen einer Außenprüfung lediglich mit den pauschalen Beträgen für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Einkommensteuergesetz –EStG– a.F. i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. als Betriebsausgaben berücksichtigt (Prüfungsbericht vom 29. Dezember 1995). Der Prüfer und ihm folgend das beklagte Finanzamt –FA– sahen in den verschiedenen Arztpraxen, nicht aber in den Räumen im Hause des Klägers jeweils eine eigene Betriebsstätte (vgl. Tz. 1.02 b des Ap-Berichts vom 29. Dezember 1995). In den angegriffenen, gemäß § 173 Abs. 1 Abgabenordnung –AO– ergangenen ESt-(Änderungs-)Bescheiden der Jahre 1992 und 1993 sowie im erstmaligen ESt-Bescheid für das Jahr 1994, die jeweils am 28. März 1996 ergingen, legte das FA eine zwischen der Wohnung und den jeweiligen Betriebsstätten zurückgelegte jährliche Fahrstrecke von 13680 km sowie für Mittagsheimfahrten von 3360 km der Besteuerung zugrunde. Ausgehend von den tatsächlichen Fahrzeug kosten je km von 0,83 DM für 1992, 1,37 DM für 1993 und von 0,77 DM für das Jahr 1994 errechnete das FA nichtabzugsfähige Fahrtkosten von 9.696 DM, 18.898 DM und von 8.332 DM für die Jahre 1992 bis 1994 (vgl. Ap-Bericht vom 29. Dezember 1995 Tz. 1.02).
Ein gegen diese Bescheide am 10. April 1996 fristgerecht eingelegter Einspruch führte dazu, dass die Fahrstrecke zwischen der Wohnung und den Betriebsstätten jährlich auf 10000 km (bisher 13680 km) und die Mittagsheimfahrten auf 1000 km (bisher 3360 km) reduziert wurden. Zugleich erfolgte in der Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2000 – nach vorheriger Ankündigung – eine Verböserung hinsichtlich des Ansatzes von Raumkosten.
Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer fristgerecht am 26. Juli 2000 erhobenen Klage, mit der sie sich gegen die Kürzung der Betriebsausgaben für Fahrtkosten – ausschließlich dem Grunde nach – wenden und zu deren Begründung sie durch ihren Prozessbevollmächtigten im Wesentlichen folgendes vortragen lassen:
Bei dem Berufsbild des Klägers handele es sich seit etwa Anfang der Neunzigerjahre um ein völlig neues Berufsbild des ambulanten Narkosearztes. Dieses zeichne sich dadurch aus, dass der Arzt von außerhalb des Krankenhauses freipraktizierenden Ärzten zu ambulanten operativen Eingriffen gerufen werde. In den Streitjahren habe es fünf Arztpraxen gegeben, in denen der Kläger regelmäßig nach Absprache bei Operationen tätig gewesen sei. Daneben sei er von weiteren Ärzten zu jeweils aktuellen Operationen, insbesondere bei Unfällen, gerufen worden. Seine Tätigkeit habe er von seiner Praxis aus, die im Wohnhaus in BS eingerichtet gewesen sei, aufgenommen. Die Praxisräume hätten aus einem Büroraum, in dem das Telefon und das Faxgerät, ein Schreibcomputer und die gesamten Patienten- und Praxisunterlagen untergebracht gewesen seien, sowie aus einem Raum zur Lagerung von Material (Medikamenten) und den Anästhesiegeräten bestanden. Die Praxisräume seien in den Streitjahren mit einer angestellten Bürokraft und danach mit zwei Bürokräften besetzt gewesen. Diese hätten die auswärtigen Einsa...