Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung einer rechtsgrundlos gezahlten Berufsunfähigkeitsrente
Leitsatz (redaktionell)
Eine rechtsgrundlos gezahlte Berufsunfähigkeitsrente ist in voller Höhe als wiederkehrende Leistungen i. S. d. § 22 Nr. 1 S. 1 EStG zu versteuern, wenn sie durch den Versicherungsvertrag und das damit erworbene Rentenstammrecht veranlasst wurde.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 7, § 22 Nr. 1 S. 1, § 8 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Steuerpflicht von Zahlungen einer privaten Rentenversicherung, die versehentlich über die vertraglich vereinbarte Laufzeit hinaus erfolgten (i.F. „weitere Zahlungen”).
Die Kläger wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Bereits in den Jahren vor 2010 bezog der Kläger eine abgekürzte Leibrente aus einer privaten kombinierten Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung. Nach den Versicherungsbedingungen sollte der Kläger aufgrund seiner Beitragszahlung wie bei einer normalen Kapitallebensversicherung ein Anrecht auf die Ablaufleistung im Erlebensfall erwerben. Zusätzlich war geregelt, dass im Falle der Berufsunfähigkeit der Kläger von der Beitragspflicht bis zum 1. Februar 2010 befreit sein und daneben bis zu diesem Zeitpunkt eine abgekürzte Leibrente erhalten sollte. Bei Eintritt der Berufsunfähigkeit sollte der Kläger berechtigt sein, entweder zum 1. Februar 2010 die Ablaufleistung zu fordern oder den Vertrag durch eigene Beitragszahlung fortzuführen, um zu einem späteren Zeitpunkt eine entsprechend höhere Ablaufleistung fordern zu können.
Anfang der 1990er Jahre trat der Versicherungsfall durch Berufsunfähigkeit des Klägers ein. Seitdem bezog er die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente. Diese Zahlungen wurden vom Beklagten bis 1. Februar 2010 – insoweit zwischen den Beteiligten unstreitig zutreffend – als abgekürzte Leibrente i.S.d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 7, 22 Nr. 1 S. 3 a) Doppelbuchst. bb) Einkommensteuergesetz (EStG) mit dem Ertragsanteil i.H.v. 18% der Besteuerung unterworfen. Im Veranlagungszeitraum 2010 übte der Kläger sein Wahlrecht aus und forderte von der Versicherung die Ablaufleistung, welche diese wie geschuldet am 12. Mai 2010 i.H.v. 131.534,19 EUR an den Kläger ausbezahlte. Das Vertragsverhältnis war damit beendet.
Aufgrund eines Versehens erbrachte die Versicherung jedoch über das vertragliche Ende hinaus bis Anfang 2011 weitere Zahlungen in der bisherigen Höhe und zu den bisherigen Fälligkeitszeitpunkten.
Insgesamt erhielt der Kläger auf diese Weise weitere Zahlungen in folgender Höhe:
2010 |
11.183,00 EUR |
2011 |
2.795,00 EUR |
Nachdem die Versicherung ihr Versehen erkannt hatte, forderte sie vom Kläger die weiteren Zahlungen zurück. Das diesbezügliche gerichtliche Verfahren vor dem Landgericht X wurde durch gerichtlichen Vergleich vom 15. Juni 2012, wonach der Kläger 9.000 EUR an die Versicherung zurückzahlen musste, beigelegt.
Der Kläger legte den Erhalt der weiteren Zahlungen gegenüber dem Beklagten offen und führte aus, dass er diese Zuflüsse für nicht steuerpflichtig halte, da es sich um Zahlungen handle, die ohne Rechtsgrund erfolgt seien und somit gerade keine Rentenzahlungen vorlägen. Für die weiteren Zahlungen habe er – der Kläger – keine Leistung gegenüber der Versicherung erbracht. Daher könne es auch keinen Anlass für die Zahlungen der Versicherung geben und somit auch nicht für den steuerlichen Ansatz der weiteren Zahlungen als Einnahme.
Das Urteil des BFH vom 11. März 1988, VI R 106/84 könne auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden. Dieses betreffe die Besteuerung von rechtsgrundlos gezahltem Arbeitslohn, also um Einnahmen im Sinne des § 19 EStG, während es sich hier um Zahlungen nach § 22 EStG handle. In § 19 Abs. 1 S. 2 EStG seien rechtsgrundlos geleistete Zahlungen jedoch ausdrücklich als steuerbare Einnahmen genannt, während es bei § 22 EStG an einer vergleichbaren Regelung fehle.
Es handle sich auch nicht um wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 22 Nr. 1 S. 1 EStG, da die weiteren Zahlungen nicht aufgrund eines von vornherein gefassten einheitlichen Entschlusses oder eines einheitlichen Rechtsgrundes erbracht worden seien. Der Entschluss der Versicherung zur Leistung habe sich nur auf Zahlungen bis zum 1. Februar 2010 bezogen.
Der Beklagte unterwarf die Zahlungen in 2010 und 2011 – wie in den Vorjahren – als Rentenzahlungen mit dem Ertragsanteil in Höhe von 18% der Besteuerung.
Er ist der Auffassung, die Zahlungen seien aufgrund eines privaten Rentenstammrechts erfolgt. Dass der Versicherer über den vertraglichen Ablaufzeitpunkt hinaus Zahlungen geleistet habe, ändere an dieser Bewertung nichts. Es gelte das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG. Soweit zu einem späteren Zeitpunkt die weiteren Zahlungen zurückgezahlt worden seien, lägen negative Einnahmen vor, die in diesem Jahr das Einkommen minderten.
Die gegen die Einkommensteuerbescheide 2010 und 2011 erhobenen Einsprüche wies der Beklagte unter...