Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Änderung eines Umsatzsteuerbescheids für einen vor 2013 für empfangene Bauleistungen zu Unrecht als Steuerschuldner nach § 13b UStG behandelten Bauträger
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist ein Bauträger nach der früheren Verwaltungsauffassung bis zum Ergehen des BFH-Urteils vom 22.8.2013 (Az.: V R 37/10) als Steuerschuldner nach § 13b UStG für bezogene Bauleistungen behandelt worden und beantragt er nun nachträglich die Änderung des Umsatzsteuerbescheids zu seinen Gunsten, so darf das FA die Änderung nicht davon abhängig machen, dass der Bauträger dem Bauhandwerker die Umsatzsteuer auf den ihm in Rechnung gestellten Nettobetrag bezahlt hat oder dass das FA mit dem Anspruch des Bauhandwerkers gegen den Bauträger auf Zahlung der Umsatzsteuer aufrechnen kann; § 17 UStG ist insoweit weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden (Anschluss an FG München v. 10.10.2017, 14 K 344/16; FG Düsseldorf v. 28.4.2017, 1 K 2634/15 U; Abgrenzung vom BFH, Beschluss v. 19.5.2016, 1 K 3504/15). Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben oder dem Unionsrecht.
2. Eine (spätere) Auslegung des § 13b UStG durch die Gerichte, die von der Auffassung der Verwaltung abweicht, stellt keinen nachträglich eingetretenen Umstand i. S. d. § 17 UStG dar.
2. Auch § 27 Abs. 19 UStG i. d. F. des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.7.2014 (BGBl 2014 S. 1266) steht einer Änderung zugunsten des Bauträgers nicht entgegen, da diese Norm ihrem Wortlaut nach lediglich für den leistenden Unternehmer, nicht aber für den Bauträger als Leistungsempfänger gilt und unter Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung auch nicht analog anzuwenden ist.
Normenkette
UStG § 13b Abs. 2 Nr. 4, Abs. 5 S. 2, § 17 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2 Nr. 1 S. 1, § 27 Abs. 19; AO § 37 Abs. 2; GG Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3; BGB § 242
Tenor
1. Der Umsatzsteuerbescheid für 2010, zuletzt geändert am 11. Dezember 2017, wird geändert. Die Umsatzsteuer wird um … EUR ermäßigt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit geleistet hat.
Tatbestand
Die Klägerin ist Alleingesellschafterin und Organträger der X… GmbH –X-GmbH–. Ihre Alleingesellschafterin ist X. Die X-GmbH ist überwiegend als Bauträgerin tätig. Sie errichtet Wohn- und Geschäftshäuser auf eigenem Boden zum Zwecke der Veräußerung von Wohn- und Teileigentum. Hierzu nimmt sie Leistungen diverser Bauhandwerker in Anspruch.
Die Klägerin als Organträgerin der X-GmbH behielt im Streitjahr 2010 unter Berücksichtigung der BMF-Schreiben vom 16. Oktober 2009, 11. März 2010 und 17. November 2011 als vermeintliche Steuerschuldnerin im Sinne des § 13b Umsatzsteuergesetz – UStG – jeweils die Umsatzsteuer für die an sie erbrachten Bauleistungen ein und führte diese an das Finanzamt, den Beklagten, ab. Sie erklärte in ihrer am 9. November 2011 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuererklärung für 2010 in der Anlage UR Leistungen nach § 13b UStG in Höhe von insgesamt … EUR. Sie führte hieraus Umsatzsteuer i.H.v. … EUR an den Beklagten ab. Vorsteuerbeträge aus Leistungen im Sinne des § 13b UStG nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG erklärte sie in Höhe von … EUR. Die Steuererklärung galt als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Am 1. Juli 2013 reichte die Klägerin beim Beklagten eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für 2010 mit höheren Vorsteuerbeträgen ein. Erst 2010 abziehbare Vorsteuern seien schon 2009 geltend gemacht und nach einer Betriebsprüfung die Steuerfestsetzung 2009 entsprechend geändert worden. Änderungen mit Bezug zu 13b UStG ergaben sich hieraus nicht.
Mit Umsatzsteuerbescheid für 2010 vom 29. Oktober 2013 legte der Beklagte der Besteuerung u.a. die von der Klägerin erklärten § 13b UStG-Beträge zugrunde. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.
Die Klägerin beantragte am 8. Dezember 2015 beim Beklagten die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für 2010, da der Bundesfinanzhof –BFH– mit Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10 (Bundessteuerblatt –BStBl.– II 2014, 128) klargestellt habe, dass ein Bauträger keine Bauleistungen erbringe und damit kein Steuerschuldner als Leistungsempfänger von Bauleistungen im Sinne des § 13b UStG sei. Sie beantragte die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer nach § 13b UStG um … EUR auf … EUR herabzusetzen und damit die Ermäßigung der Umsatzsteuer um … EUR auf … EU...