Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass von Säumniszuschlägen. Einschränkung des Verlustausgleichs im Vorauszahlungsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist nach § 227 AO sachlich unbillig, wenn von der Regelung des § 37 Abs. 3 S. 7 EStG auch solche Bauherren oder Erwerber betroffen sind, die ihr Bauvorhaben als Einzelbauherren und ohne Einschaltung von Modellträgern verwirklichen, da die gesetzgeberische Zielrichtung nur auf sog. Bauherrenmodelle gerichtet war.
2. Der nach Art. 19 Abs. 4 GG zu gewährende Rechtsschutz gegen die während der Geltung des Vorauszahlungsbescheids entstandenen Säumniszuschläge ist nach Erlass des Jahressteuerbescheides, der an die Stelle des Vorauszahlungsbescheides tritt, im Erlassverfahren zu gewähren.
3. Im Jahressteuerbescheid ist die im Vorauszahlungsbescheid enthaltene Beschwer, die zu den Säumniszuschlägen geführt hat, nicht mehr enthalten, weil der Vermietungsverlust im Jahressteuerbescheid berücksichtigt wurde.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4; EStG § 37 Abs. 3 S. 7; AO § 227
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid des Beklagten vom 24.06.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.09.2005 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, Säumniszuschläge zur Einkommensteuer 1995 in Höhe von 1.660 DM (= 848,74 EUR) und zum Solidaritätszuschlag 1995 in Höhe von 124 DM (= 63,40 EUR) zu erlassen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, haben die Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit zu leisten.
Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob Säumniszuschläge zur Einkommensteuer 1995 in Höhe von 1.660 DM und zum Solidaritätszuschlag 1995 in Höhe von 124 DM aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen sind.
Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Steuerberater selbständig tätig. Im Einkommensteuerbescheid für 1994 vom 16.07.1996 ergab sich eine Abschlusszahlung von ca. 45.000 DM. Zugleich wurde in dem Bescheid eine nachträgliche Vorauszahlung zur Einkommensteuer 1995 in Höhe von 47.200 DM und für Solidaritätszuschlag in Höhe von 3.544 DM festgesetzt mit Fälligkeit am 19.08.1996.
Bei einer Vorsprache des Klägers beim Finanzamt am 06.08.1996 wegen Anpassung der Vorauszahlungen für 1995 machte der Kläger u.a. geltend, der Gewinn aus selbständiger Arbeit für 1995 betrage ca. 337.500 DM. Für das im Jahr 1995 fertig gestellte Mietwohngrundstück … in … wurde ein Werbungskostenüberschuss in Höhe von ca. 75.000 DM geltend gemacht.
Mit Bescheid vom 19.08.1996 wurden die Vorauszahlungen für Einkommensteuer 1995 in der Weise angepasst, dass die nachträgliche Vorauszahlung für Einkommensteuer 1995 auf 41.528 DM und für Solidaritätszuschlag auf 3.116 DM herabgesetzt wurde; die Fälligkeit am 19.08.1996 blieb unverändert. Aus der in dem Bescheid vom 19.08.1996 enthaltenen Einkünfteermittlung (Gesamtbetrag der Einkünfte: 343.500 DM) ergibt sich, dass die Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit 337.500 DM angesetzt wurden (bei dem dort bezeichneten Betrag von 375.500 DM handelt es sich offensichtlich um einen Schreibfehler). Aus der Anlage zum Bescheid ergibt sich ferner, dass der geltend gemachte Verlust aus Vermietung und Verpachtung für das Objekt … bei der Ermittlung der Vorauszahlungen nicht berücksichtigt wurde, da nach § 37 Abs. 3 Satz 7 EStG (in der für das Streitjahr 1995 geltenden Fassung) der Verlust erst ab dem Veranlagungszeitraum 1996 für Zwecke der Vorauszahlung berücksichtigt werden könne.
Am 23.08.1996 legten die Kläger gegen den Vorauszahlungsbescheid vom 19.08.1996 Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung wurde vorgebracht, die vom Finanzamt herangezogene Vorschrift des § 37 Abs. 3 Satz 7 EStG sei verfassungsrechtlich bedenklich. Mit Bescheid vom 28.08.1996 lehnte das Finanzamt den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Der Bescheid führt aus: Nach § 37 Abs. 3 Satz 7 EStG könnten negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eines Gebäudes nur für Kalenderjahre berücksichtigt werden, welche nach der Fertigstellung des Gebäudes beginnen. Das Gebäude … in … sei im Jahr 1995 fertig gestellt worden; deshalb könnten negative Einkünfte aus diesem Objekt bei der Festsetzung der Vorauszahlungen für 1995 nicht berücksichtigt werden. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe im Beschluss vom 17.03.1994 VI B 154/93 (BStBl II 1994, 567) bestätigt, dass die Vorschrift nicht gegen die Verfassung verstoße. Auf die Möglichkeit der Einflussnahme durch Abgabe der Einkommensteuererklärung 1995 werde hingewiesen. Gegen den B...