Entscheidungsstichwort (Thema)
Bildung einer Rückstellung aufgrund einer drohenden zivilrechtlichen Schadensersatzpflicht
Leitsatz (redaktionell)
1. Werden Sanktionen nur für den Fall eines noch nicht verwirklichten Vertragsbruchs angedroht, um den Steuerpflichtigen zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen, sind die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung wegen einer drohenden zivilrechtlichen Schadensersatzpflicht nicht erfüllt.
2. Tatsachen, die erst nach dem Bilanzstichtag eingetreten sind, können nicht als wertaufhellend angesehen werden.
Normenkette
EStG § 5 Abs. 1; HGB § 249; BGB §§ 313, 626
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 08.02.2016; Aktenzeichen III B 58/15) |
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Ansatz einer Rückstellung für eine Schadensersatzverpflichtung.
Der Kläger ist Diplom-Kaufmann und erzielt Einkünfte als selbständiger EDV-Berater. Der Kläger hatte sich im Streitjahr 2009 – nach mehrjähriger Tätigkeit bei einem großen Software-Unternehmen– selbständig gemacht. Ende Oktober 2009 bewarb sich der Kläger über eine sog. Projektstellenbörse im Internet bei der B Ltd. in Y/Großbritanien (B Ltd..) für die Durchführung eines EDV-Projekts. Am 3. November 2009 erfuhr der Kläger in einem Telefonat mit der B Ltd.., dass der Hauptauftraggeber die Stadtwerke X seien. Am 2. November hatte sich der Kläger bereits bei einer weiteren Consulting-Agentur, der Fa. D Ltd. in Y/Großbritanien (D Ltd. ebenfalls für ein Projekt beworben. Bei dieser Bewerbung hatte der Kläger den Namen des (Haupt-)Auftraggebers zunächst nicht erfahren; es wurde ihm nur mitgeteilt, dass der Auftraggeber aus dem Energiebereich in Süddeutschland stamme. Von der B Ltd.. erhielt der Kläger zunächst keine weitere Nachricht. Die D Ltd. teilte dem Kläger am 17. November 2009 mit, dass ihr Auftraggeber (aus dem Energiebereich in Süddeutschland) die Stadtwerke X seien. Am 18. November 2009 führten die Stadtwerke X mit dem Kläger ein sog. Interview durch, wobei das Interview durch die D Ltd. vereinbart wurde. Das Interview verlief für den Kläger positiv und die Stadtwerke X teilten dem Kläger mit, dass sie mit ihm zusammenarbeiten wollten. Der Kläger gab daraufhin am 19. November 2009 gegenüber der D Ltd. ein Vertragsangebot ab, das von der D Ltd. am 30. November 2009 angenommen wurde. Zwischenzeitlich hatte sich indes am 23. November 2009 auch die B Ltd.. bei dem Kläger gemeldet und den Vertrag mit den Stadtwerken X für sich reklamiert. Die B Ltd.. wies darauf hin, dass sie den Kläger viel früher als die D Ltd. darüber informiert habe, dass die Stadtwerke X ihr Auftraggeber seien.
Der Kläger hatte nun Zweifel über sein weiteres Vorgehen und er ließ sich durch einen Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht beraten (s. E-Mail-Nachrichten des Klägers bzw. des Rechtsanwaltes C vom 3. und 4. Dezember 2009; FG-A. Bl. 29 f, 149 f). Entsprechend der anwaltlichen Empfehlung schrieb der Kläger die beiden Agenturen am 4. Dezember 2009 an und forderte sie auf, ihm kurzfristig mitzuteilen und nachzuweisen, welche Agentur den Auftrag der Stadtwerke X erhalten habe. Die B Ltd.. teilte ihm darauf mit, dass ihr der Auftrag der Stadtwerke X erteilt worden sei. Entsprechend unterzeichnete der Kläger am 8. Dezember 2009 einen Vertrag mit der B Ltd.. und führte in der Folge das Projekt auch erfolgreich durch.
Die D Ltd. hat dem Kläger auf sein Schreiben nicht geantwortet. Der Kläger erhielt stattdessen bereits am 4. Dezember 2009 ein Schreiben des englischen Rechtsanwaltes P, der von der D Ltd. beauftragt worden war (s. FG-Akten Bl. 84). In dem Schreiben heißt es u.a.:
„Ihre Zustimmung, Services für XX „Stadtwerke X”) über B zu erbringen, stellt demnach einen Vertragsbruch hinsichtlich einer Reihe der oben genannten Bedingungen dar, und wir haben unseren Mandanten auf sein Recht hingewiesen, für diesen Vertragsbruch von Ihnen Schadensersatz zu verlangen.
Dementsprechend informieren wir Sie mit diesem Schreiben über den Anspruch unseres Mandanten und ersuchen Sie um Ihre Bestätigung, dass Sie die Bedingungen des Vertrages erfüllen und ihre Services für XX ausschließlich über D erbringen. Falls wir diesbezüglich keine Bestätigung von Ihnen erhalten und sie die Services für XX über andere Partner und nicht über D erbringen, wird unser Mandant Schadensersatzforderungen für ihm entstandene Verluste stellen. Unser Mandant stuft den Schaden als wesentlich ein und beziffert ihn auf mindestens EUR 40.000,00, einschließlich entgangenen Gewinns und Rechtskosten. …
Während der Aufsetzung dieses Schreibens hat unser Mandant uns eine Kopie Ihres Faxes mit heutigem Datum zukommen lassen, in dem Sie darum bitten, die vertraglichen Vereinbarungen zwischen D und XX darzulegen. Diese vertraglichen Vereinbarungen zwischen D und XX sind für die Vertragsbeziehungen zwischen Ihnen und D nicht relevant und haben keine Auswirkungen auf Ihre vertraglichen Verpfl...