Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine abweichende Steuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen wegen der Krankenversicherungsbeiträge eines Grenzgängers zur Schweiz. Einkommensteuer 1995 – 2000 (Ablehnung des Erlass von Einkommensteuer gem. § 163 AO)
Leitsatz (redaktionell)
Es entspricht eindeutig der geltenden Rechtslage sowie dem Willen des Gesetzgebers und ist daher nicht sachlich unbillig, dass Krankenkassenbeiträge eines Grenzgängers zur Schweiz auch unter Berücksichtigung des Umstands nicht zur Hälfte vom steuerlichen Arbeitslohn abzuziehen sind, dass ein Arbeitnehmer im Inland den 50%igen Zuschuss des Arbeitgebers zur Kranken- und Pflegeversicherung steuerfrei erhält, der Grenzgänger seine Beiträge dagegen in voller Höhe selbst erbringen muss (zur sachlichen oder persönlichen Unbilligkeit als Voraussetzung für eine abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO sowie zur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung einer Ermessensentscheidung des FA).
Normenkette
AO § 163; FGO § 102; EStG § 3 Nr. 62
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist, ob die Voraussetzungen für eine abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO vorliegen.
Die verheirateten Kläger werden beim Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Grenzgänger und seit 1995 als Chemiker bei der AG in B beschäftigt. Die Einkommensteuerbescheide des hier strittigen Zeitraumes 1995-2000 haben – bis auf den des Jahres 1995 – noch keine Rechtskraft erlangt. Auf das Verfahren vor dem BFH VI B 112/02 wegen Einkommensteuer 1996 sowie auf die beim Finanzgericht anhängigen Klageverfahren der Folgejahre wird insoweit hingewiesen.
Am 25.10.2001 stellten die Kläger unter Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG und den Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung beim Beklagten den Antrag, im Wege des § 163 AO 50 v.H. der vom Kläger allein getragenen Krankenversicherungsbeiträge steuerfrei zu belassen. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 30.4.2002 ab. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg; die Einspruchsentscheidung – auf die Bezug genommen wird – erging am 11.10.2002.
Mit ihrer Klage bringen die Kläger unter Weiterführung des bereits im Verwaltungsverfahren Vorgetragenen im wesentlichen Folgendes vor:
1. Die Entscheidungen des Beklagten über die von ihnen gestellten Anträge seien ermessensfehlerhaft (Schriftsatz vom 19. 2. 2003, FG-Aktenblatt 49 bis 58, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird):
Zum einen könne die Prüfung der Unbilligkeit nicht durch den bloßen Hinweis auf die Erfüllung eines Besteuerungstatbestandes ersetzt werden; zum anderen würden sich die Ausführungen des Beklagten – zum Teil floskelhaft – auf die Zitierung von Grundsätzen beschränken. Sachliche und persönliche Billigkeitsgründe seien in den Entscheidungen des Beklagten nicht ausreichend erörtert worden. Die Entscheidungen ließen nicht erkennen, dass das Finanzamt das Für und Wider einer Steuerreduzierung aus sachlichen oder persönlichen Billigkeitsgründen gegeneinander wirklich abgewogen habe. Dies sei aber für eine fehlerfreie Ermessensentscheidung ein wesentliches Erfordernis.
2. Die Rechtsverletzung durch den Beklagten werde insbesondere auch aus Folgendem ersichtlich:
In Deutschland beschäftigte Arbeitnehmer, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert seien, erhielten gem. § 257 Abs. 1 SGB V von ihrem Arbeitgeber als Beitragszuschuss die Hälfte des Beitrags, der für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten bei der Krankenkasse, bei der die Mitgliedschaft besteht, zu zahlen wäre, höchstens jedoch die Hälfte des Beitrags, den sie tatsächlich zu zahlen haben. Der Zuschuss sei steuerfrei gem. § 3 Nr. 62 EStG. Gleiches gelte gem. § 61 Abs. 1 SGB XI auch für die Pflegeversicherung. Freiwillig versichern könnten sich in der gesetzlichen Krankenversicherung solche Arbeitnehmer, deren regelmäßiges Jahreseinkommen 75 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten übersteige. Das Einkommen des Klägers habe seit dem 1.3.1995 wesentlich über dieser Grenze gelegenen.
Auf die Aufstellung des Klägers in seinem Schreiben vom 1.12.2002 (FG-Aktenblatt 18) über die von ihm demzufolge im streitigen Zeitraum entrichteten Beiträge wird Bezug genommen.
Die Schweiz kenne keinen 50-prozentigen Arbeitgeberzuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung und dessen Steuerfreistellung. Auch leiste der Arbeitgeber des Klägers nicht freiwillig einen solchen Zuschuss.
Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergäben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichten. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz sei jedenfalls verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus d...