rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen eines Gerichtsvollziehers für sein häusliches Arbeitszimmer sind unbegrenzt als Werbungskosten abzugsfähig. Einbindung in die häusliche Sphäre. Tätigkeitsmittelpunkt
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein im (auch) selbstgenutzten Einfamilienhaus gelegenes Büro kann aus dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG herausfallen, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles die Einbindung des Büros in die häusliche Sphäre aufgehoben oder überlagert wird. Solche Umstände sind insbesondere dann zu bejahen, wenn das Büro auch für Publikumsverkehr offensteht oder von nicht familienangehörigen Dritten und auch nicht haushaltszugehörigen Beschäftigten des Steuerpflichtigen genutzt wird.
2. Ob ein Raum als häusliches Arbeitszimmer anzusehen ist, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls entscheiden.
3. Im Streitfall wurde die Einbindung der im Untergeschoss seines privaten Einfamilienhauses eingerichteten Büroräume eines Gerichtsvollziehers insbesondere deshalb verneint, weil diese über einen separaten Zugang verfügten, Besucherparkplätze eingerichtet waren, die Büroräume von der häuslichen Sphäre baulich so weit getrennt waren, dass sie ohne weiteres auch als Einliegerwohnung hätten vermietet werden können, ferner über eine gesonderte Klingel mit der Aufschrift „Obergerichtsvollzieher” verfügten und neben dem Eingang das Landeswappen angebracht war.
4. Die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers war in den letzten Jahren einem starken Wandel mit der Folge unterworfen, dass der Tätigkeitsmittelpunkt nicht mehr im Außendienst, sondern im Fall des Klägers in den streitgegenständlichen Büroräumen lag.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 5, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b; GVO BW § 46
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 2012 vom 27. Januar 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 2015 wird dahingehend abgeändert, dass weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers in Höhe von 6.900 EUR berücksichtigt werden. Die Berechnung der festzusetzenden Steuer wird dem Beklagten übertragen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der den Klägern zu erstattenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Betragen diese nicht mehr als 1.500 EUR ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann in diesem Fall die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Übersteigt der Kostenerstattungsanspruch den Betrag von 1.500 EUR, ist das Urteil wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Streitig ist der Abzug von Aufwendungen für ein im eigenen Einfamilienhaus (EFH) belegenes Büro als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Die verheirateten Kläger (Kl) wurden im Streitjahr 2012 zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Der Kl ist Gerichtsvollzieher beim Amtsgericht (AG) X und insoweit zuständig für die Bezirke Y und Z. Seit dem Jahr 2011 unterhält er im Untergeschoss seines EFH in Y für seine Tätigkeit als Gerichtsvollzieher ein Büro (im Folgenden: Hauptbüro). Diese Räume hatten die Kl eigens als Dienstsitz des Kl geplant, im Übrigen aber auch so konzipiert, dass sie als Einliegerwohnung genutzt werden können. Es handelt sich um einen kleinen Vorraum, ein WC und den eigentlichen Büroraum mit insgesamt 50 m² Fläche. Im Büroraum befinden sich zwei Schreibtische mit Bildschirmarbeitsplätzen, ein dritter mobiler Arbeitsplatz für die Abnahme der Vermögensauskünfte sowie ein Besprechungstisch, des Weiteren ein Tresor, drei Drucker, ein Kopier- und Faxgerät sowie Schränke mit sämtlichen Akten und den sonstigen beruflichen Unterlagen und Gegenständen des Kl. Der WC-Raum wird als Lager genutzt. Das Hauptbüro ist sowohl über zwei Verbindungstüren im Untergeschoss als auch über eine – auf der dem privaten Eingang gegenüberliegenden Hausseite gelegene – Außentreppe zu erreichen. Die dortige Eingangstür verfügt über ein separates Schloss. Mit dem Büroschlüssel lassen sich weder die private Hauseingangstür noch die beiden innenliegenden Verbindungstüren zu den privaten Räumen öffnen. Der ständige Vertreter des Kl verfügt über einen Büroschlüssel, um dessen Zugangsmöglichkeit während der Verhinderung des Kl (z.B. Krankheit und Urlaub) sicherzustellen. Unmittelbar neben der Eingangstür zum Hauptbüro ist ein Schild mit dem Landeswappen BadenWürttembergs und der Aufschrift „Obergerichtsvollzieher” sowie dem Namen des Kl angebracht. Auf dem Grundstück wurden neben der privaten Garagenzufahrt zwei gesonderte Stellplätze angelegt, die von der Baubehörde auf Grund des Besucherverkehrs im Hauptbüro zur Auflage gemacht worden waren. Neben den Stel...