rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Bei Veräußerung einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung innerhalb von zehn Jahren nach dem Kauf ist auch der auf ein häusliches Arbeitszimmer entfallende Veräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG steuerfrei
Leitsatz (redaktionell)
Wird eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach ihrer Anschaffung veräußert, ist der Veräußerungsgewinn auch insoweit nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG steuerfrei, als er auf ein häusliches Arbeitszimmer innerhalb der selbst genutzten Wohnung entfällt und für das – für eine Tätigkeit als Arbeitnehmer genutzte – häusliche Arbeitszimmer zuvor Werbungskosten geltend gemacht worden sind (Anschluss an FG Köln, Urteil v. 20.3.2018, 8 K 1160/15, EFG 2018 S. 1256 sowie FG München, Beschluss v. 14.1.2019, 5 V 2627/18; gegen FG Münster, Urteil v. 28.8.2003, 11 K 6243/01 E, EFG 2004 S. 45).
Normenkette
EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sätze 1, 3, § 22 Nr. 2, § 9 Abs. 1 S. 1, § 19 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. der Einkommensteuerbescheid 2017 vom 15.10.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.01.2019 wird dahingehend geändert, dass die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 EStG aus der Veräußerung des Objekts A-Straße 1 in X mit null Euro angesetzt werden.
Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekanntzugeben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Veräußerungsgewinn gemäß § 23 Einkommensteuergesetz (EStG) erzielt hat.
Die Klägerin erzielte im Streitjahr als Lehrerin Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Sie machte hierbei, wie in den Vorjahren, die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend. Diese sind von dem Beklagten jeweils mit dem Höchstbetrag in Höhe von 1.250 EUR anerkannt worden. Das streitige Arbeitszimmer befand sich in der Eigentumswohnung der Klägerin in der A-Straße 1 in X. Diese hatte die Klägerin mit Vertrag vom ….2012 für insgesamt 341.200 EUR zuzüglich Nebenkosten in Höhe von 20.036,59 EUR erworben. Im Streitjahr veräußerte die Klägerin ihre Eigentumswohnung in der A-Straße 1 mit Vertrag vom …2017. Der Verkaufspreis betrug 489.000 EUR (inklusive Zubehör in Höhe von 15.000 EUR). Als Veräußerungskosten hat die Klägervertreterin einen – insoweit unstreitigen – Aufwand in Höhe von 22.657,47 EUR.
In der Einkommensteuererklärung 2017 hat die Klägerin unter anderem bezüglich des häuslichen Arbeitszimmers einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 10.918 EUR erklärt. In den Bemerkungen zur Steuererklärung schrieb die Klägervertreterin hierzu: „Beim Veräußerungsgeschäft gemäß § 23 EStG sind folgende Punkte zu berücksichtigen: 1. Die Abschreibungen sind gemäß BMF-Schreiben vom 05.10.2000 Rz. 39 nicht hinzuzurechnen. 2. Beim BFH ist unter dem Az. IX R 11/18 ein Revisionsverfahren anhängig, in dem es darum geht, ob in diesen Fällen die Veräußerung steuerpflichtig oder steuerfrei ist!”
Der Beklagte berücksichtigte in der Einkommensteuerveranlagung 2017 Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 10.941 EUR. Diesen hat der Beklagte wie folgt berechnet:
anteiliger Veräußerungspreis |
489.000 EUR |
× 10,41 % |
50.905 EUR |
abzgl. anteiliger Anschaffungspreis |
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Kaufpreis |
341.200 EUR |
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Nebenkosten |
20.037 EUR |
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Summe |
361.237 EUR |
× 10,41 % |
37.605 EUR |
abzgl. Werbungskosten im Zusammenhang mit Veräußerung |
22.657,47 EUR |
× 10,41 % |
2.359 EUR |
Gewinn |
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10.941 EUR |
Zudem erklärte der Beklagte in den Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid, dass das zitierte Revisionsverfahren IX R 11/18 durch Rücknahme der Revision eingestellt worden sei. Die Finanzverwaltung wende weiterhin das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF-Schreiben) vom 07.02.2007, Bundessteuerblatt Teil I (BStBl I) 2007, 262, Rz. 39 an, nach dem für das Arbeitszimmer ein anteiliger Veräußerungsgewinn bei Verkauf innerhalb der Spekulationsfrist zu versteuern sei.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin legte gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 Einspruch ein. Zur Begründung verwies sie auf das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 20.03.2018 (Az. 8 ...