Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Vorsteuerabzug eines Gerüstbauunternehmens aus nur zum Schein abgeschlossenen Nachunternehmerverträgen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein „vorgeschobenes” Strohmanngeschäft ist nach § 41 Abs. 2 AO unbeachtlich, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d. h. wenn die Vertragsparteien – der „Strohmann” und der Leistungsempfänger – einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem „Hintermann” eintreten sollen. Letzteres ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der „Strohmann” keine eigene Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will.
2. Da das Umsatzsteuerrecht an tatsächliche Leistungsvorgänge anknüpft, kommt es auf das Vorhandensein zivilrechtlich wirksamer Verträge oder Leistungspflichten nicht an. Maßgeblich ist, dass die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis eines Scheingeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Für das Vorliegen von Scheingeschäften trägt das Finanzamt die Feststellungslast, das sich auf die Unwirksamkeit der vorgetäuschten Geschäfte beruft.
3. Einem Gerüstbauunternehmen steht der Vorsteuerabzug aus Rechnungen von Nachunternehmen über Gerüstbauleistungen nicht zu, wenn die schriftlichen Verträge mit den Nachunternehmen nur zum Schein abgeschlossen worden sind, die Mitglieder der eingesetzten Gerüstbaukolonnen nur zum Schein bei den Nachunternehmen als Beschäftigte angemeldet worden sind und die für die Nachunternehmen verantwortlich auftretenden Personen in Wirklichkeit nur zur Erstellung von Abdeckrechnungen zur Verschleierung von Schwarzarbeit benutzt worden sind. Für Scheingeschäfte spricht es insbesondere, wenn die für die Nachunternehmen verantwortlichen Personen keinerlei Branchenkenntnisse im Gerüstbau haben und sich ihre Aufgaben im Wesentlichen darauf beschränken, Abdeckrechnungen nach den vom auftraggebenden Unternehmen vorgegebenen Aufmaßen zu schreiben und Bargeld an die Kolonnenführer der eingesetzten Gerüstbaukolonnen zu verteilen.
Normenkette
UStG § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2; MwStSystRL Art. 168 Buchst. a, Art. 178 Buchst. a, Art. 226 Nr. 5; AO § 41 Abs. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist der Vorsteuerabzug aus Rechnungen von vermeintlichen Subunternehmern im Gerüstbaugewerbe.
1. Die –steuerlich beratene– Klägerin war in den Streitjahren die Organträgerin der YY GmbH. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin war in den Streitjahren C.B., ab dem XX.XX.XXXX ist Geschäftsführerin dessen Ehefrau A.B.
Die Organgesellschaft YY GmbH hat ihren Sitz in der Stadt A, a Straße 1 und ist im Gerüstbaugewerbe tätig. Geschäftsführer der YY GmbH ist C.B., der seit dem Jahr XXXX im Gerüstbaugewerbe tätig ist (XXX.….XX).
2. Die YY GmbH machte in den Streitjahren Vorsteuern aus Rechnungen des Einzelunternehmens ZZ1 (in 2014) und der ZZ2 GmbH (in 2015) geltend, die als vermeintliche Subunternehmer bei der Errichtung und dem Abbau von Gerüsten für die YY GmbH tätig waren.
a) Das Einzelunternehmen ZZ1 wurde am XX.XX.XXXX durch D. mit Sitz in der Stadt B, b Straße 2 (zugleich Wohnanschrift der D.) gegründet. Zweck des Unternehmens war zunächst (…), ab Januar 2014 wurde das Gewerbe um den Bereich Gerüstbau erweitert.
Die YY GmbH schloss mit dem Einzelunternehmen ZZ1 am XX.XX.2014 einen „Nachunternehmervertrag”, in dem sich das Einzelunternehmen zur Ausführung von Gerüstbauarbeiten verpflichtete. Die Vergütung des Einzelunternehmens richtete sich nach einer gesonderten Preisliste, die nicht (mehr) vorliegt. Das erforderliche Gerüstbaumaterial sowie der Lkw zum Transport des Materials wurden von der YY GmbH gestellt.
Das Einzelunternehmen ZZ1 bestätigte in der „Erklärung des Nachunternehmers über die Zahlung von Steuern und Abgaben sowie Sozialbeiträgen” vom 24.09.2014, vom 23.10.2014 und vom 25.11.2014 gegenüber der YY GmbH, alle Steuern und Abgaben bezahlt zu haben.
b) Die ZZ2 GmbH geht auf die am XX.XX.2014 gegründete UVW GmbH mit Sitz in der Stadt C zurück, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer zunächst E. war. E. übertrug am XX.XX.2014 seinen Geschäftsanteil auf D., die noch am gleichen Tag anstelle des E. zur Geschäftsführerin bestellt wurde, die Gesellschaft in ZZ2 GmbH umbenannte und den Sitz in die Stadt B, b Straße 2 verlegte. Unternehmensgegenstand der ZZ2 GmbH waren (…). Die Gewerbeanmeldung der ZZ2 GmbH erfolgte am XX.XX.2014. Das Einzelunternehmen ZZ1 wurde mit notariellem Vertrag vom XX.XX.2014 zum XX.XX.2015 in die ZZ2 GmbH ausgegliedert. Das Bundeszentralamt für Steuern erteilte der ZZ2 GmbH am XX.XX.2015 eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Die ZZ2 GmbH verlegte am XX.XX.2015 ihren Sitz innerhalb der Stadt B in die c Straße 3 (Gewerbeimmobilie).
Die YY GmbH schloss auch ...