rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Wechsel der sachlichen Zuständigkeit für Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung wegen zwischenzeitlichen Wechsels des Kindergeldempfängers in den öffentlichen Dienst
Leitsatz (redaktionell)
1. Nimmt ein bisher arbeitsloser Kindergeldempfänger ein mehr als sechsmonatiges öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis auf, so wird die für den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber zuständige Familienkasse sachlich für die Kindergeldfestsetzung zuständig und ist nunmehr ausschließlich zur Vornahme erforderlicher Änderungen oder Aufhebungen bereits ergangener Kindergeldfestsetzungen, auch soweit diese vergangene Zeiträume betreffen und formell rechtmäßig von der bisher zuständigen Familienkasse erlassen worden sind, befugt.
2. Hebt trotz des Wechsels der sachlichen Zuständigkeit die früher zuständige Familienkasse die von ihr erlassene Kindergeldfestsetzung auf, so ist der Rückforderungsbescheid wegen des Verstoßes gegen die sachliche Zuständigkeit im Rechtsmittelverfahren aufzuheben (vgl. § 130 Abs. 2 Nr. 1, § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO). Die Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit (§ 26 S. 2, § 127 AO) sind insoweit nicht anwendbar.
3. Die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (Az. V B 81/17) ist wieder zurückgenommen worden.
Normenkette
AO § 130 Abs. 2 Nr. 1, § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, §§ 127, 26 S. 2, § 6 Abs. 2 Nr. 6; EStG § 72 S. 1 Nr. 1, § 72 Abs. 4, § 70 Abs. 1
Tenor
1. Die Bescheide der Beklagten vom 8. März 2016, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 27. Juni 2016, durch die die Kindergeldfestsetzungen für das Kind X für den Zeitraum Juli 2013 bis Januar 2014 und von Januar 2015 bis September 2015 sowie für das Kind Y für den Zeitraum Mai 2014 bis September 2015 aufgehoben wurden, werden aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.
Tatbestand
Streitig ist die sachliche Zuständigkeit der Beklagten (Bekl) für den Erlass von Bescheiden über die Aufhebung von Kindergeldfestsetzungen.
Durch Bescheide vom 17. April 2013 und vom 25. Juni 2014 gewährte die Bekl der Klägerin (Klin) zuletzt Kindergeld für das Kind X ab Oktober 2013 und für das Kind Y ab März 2014.
Ab 1. Juni 2015 war die Klin, die bis dahin arbeitslos war, zunächst befristet bis 30. Juni 2016 beim Z. tätig. Seit 1. Juli 2016 ist sie dort unbefristet beschäftigt. Der Bekl teilte sie die Aufnahme der Beschäftigung nicht mit.
Durch die angegriffenen Bescheide vom 8. März 2016 hob die Bekl die Kindergeldfestsetzungen für das Kind X für den Zeitraum Juli 2013 bis Januar 2014 und von Januar 2015 bis September 2015 sowie für das Kind Y für den Zeitraum April 2014 bis Oktober 2015 mit der Begründung auf, Bemühungen der Kinder um einen Ausbildungsplatz seien nicht ausreichend nachgewiesen worden. Dagegen erhob die Klin durch Schreiben ihres Bevollmächtigten (Bev) vom 16. März 2016 jeweils Einspruch. Sie ließ vortragen, die Kinder hätten sich durchgehend um einen Ausbildungsplatz bemüht. Bewerbungsschreiben und Absagen seien allerdings nicht aufbewahrt worden. Durch Einspruchsentscheidungen vom 27. Juni 2016 half die Bekl dem Einspruch bezüglich der Tochter Y für die Monate April 2014 und Oktober 2015 ab, im Übrigen wies sie die Einsprüche jeweils mangels Nachweises der Bemühungen um einen Ausbildungsplatz zurück.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verwaltungs- und Einspruchsverfahrens wird auf die beigezogenen Akten der Bekl Bezug genommen.
Mit Schreiben ihres Bev vom 27. Juli 2016 erhob die Klin beim Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg Klage. Sie ließ weiterhin vortragen, die Kinder hätten sich durchgehend um einen Ausbildungsplatz bemüht. Davon abgesehen machte sie geltend, die Bekl sei zum Erlass der Aufhebungsbescheide sachlich nicht zuständig gewesen.
Die Klin beantragt,
die Bescheide der Bekl vom 8. März 2016, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 27. Juni 2016, durch die die Kindergeldfestsetzungen für das Kind X für den Zeitraum Juli 2013 bis Januar 2014 und von Januar 2015 bis September 2015 sowie für das Kind Y für den Zeitraum Mai 2014 bis September 2015 aufgehoben wurden, aufzuheben.
Die Bekl beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, mit Aufnahme der Beschäftigung beim Z. sei zwar eigentlich die Familienkasse des öffentlichen Dienstes (Landesamt für Besoldung und Versorgung) zuständig. Allerdings ergebe sich aus Textziffer V 3.1 Abs. 5 der Dienstanweisung Kindergeld 2016 (DA-KG), dass in einem laufenden Klageverfahren die bisher zuständige Familienkasse zuständig bleibe. In der Sac...