rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für die Prüfung einer Menschenrechtsbeschwerde vor dem EGMR im Rahmen einer Scheidungsfolgesachen als außergewöhnliche Belastungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Aufwendungen für die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleich bei einer Ehescheidung sind dem Grunde nach zwangsläufig i. S. d. § 33 Abs. 2 S. 1 EStG und damit als außergewöhnliche Belastungen steuerlich zu berücksichtigen.

2. Dies gilt jedoch nicht hinsichtlich der Aufwendungen für die anwaltliche Prüfung einer Menschenrechtsbeschwerde vor dem EGMR, da diese nicht unmittelbar und unvermeidbar durch die prozessuale Durchführung des Ehescheidungsverfahrens veranlasst sind.

 

Normenkette

EStG § 33

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die seit dem 30. Mai 1990 nach 24-jähriger Ehezeit (Eheschließung 1966 und Scheidungsantrag 1989) und Erziehung eines Kindes geschiedene, 1942 geborene Klägerin, eine Psychologin, machte in ihrer Einkommensteuer– ESt – Erklärung für 2010 u.a. außergewöhnliche Belastungen in Höhe von insgesamt 4.876 EUR als „Ehescheidungsfolgekosten lt. Aufstellung” geltend. Danach fielen folgende Aufwendungen an:

  1. 30 EUR Gerichtskosten Oberlandesgericht – OLG – Az: xxx vom 24. Februar 2010
  2. 50 EUR Gerichtskosten OLG Az: xxx vom 25. März 2010
  3. 188,61 EUR Rechtsanwaltskosten aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts – AG – X vom 28. Mai 2010 unter Berücksichtigung des vollstreckbaren Beschlusses des OLG Y vom 3. Februar 2010 zu Az. yyy
  4. 30 EUR Gerichtskosten zu Aktenzeichen – Az. – yyy vom 8. Juli 2010
  5. 3.570 EUR anwaltliche Beratung zur Menschenrechtsbeschwerde nach Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – Az. Az. mmm vom 20. April 2010
  6. 100 EUR Gerichtskosten Beschwerdeverfahren Zurückweisung der Rüge vom 2. September 2010
  7. 907,68 EUR Rest Rechtsanwaltskosten vom 30. September 2010

Die Klägerin und ihr Ehemann sind durch rechtskräftiges Urteil des AG X Familiengericht vom 3. Mai 1990 Az. zzz geschiedene Eheleute. Im Zusammenhang mit dem Scheidungsausspruch wurde der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich zwischen der Klägerin und dem Ehemann hinsichtlich ihrer in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung durchgeführt und bezüglich der unverfallbaren Anwartschaften des Ehemanns auf eine betriebliche Altersversorgung der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten. Ein öffentlich-rechtlicher Teilausgleich fand insoweit (noch) nicht statt.

Weitere Verfahren zwischen den früheren Eheleuten vor dem AG X Familiengericht folgten. Gegen das Urteil des AG X vom 5. Mai 2003 Az. www legte die Klägerin Berufung beim OLG Y Az. vvv ein. Diese nahm die Klägerin anlässlich der mündlichen Verhandlung nach richterlichem Hinweis auf Anraten ihrer Prozessbevollmächtigten zurück. Die Verfassungsbeschwerde Az.: fff blieb erfolglos.

Der geschiedene Ehemann, der sich ab 1. Mai 1999 bis zur regulären Altersgrenze im Vorruhestand befand, bezog seit Januar 2008 eine betriebliche Altersrente. Er stellte seinerseits im Jahr 2008 einen Antrag auf schuldrechtlichen Versorgungsausgleich beim AG X, nahm jedoch diesen Antrag zurück.

Die Klägerin beantragte dann ihrerseits im Jahr 2009 beim AG X die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs und ihren geschiedenen Ehemann zu verpflichten, ihr seine Ansprüche auf Betriebsrente gegenüber seinem früheren Arbeitgeber in Höhe des geschuldeten Ausgleichsbetrags abzutreten. Das AG X verpflichtete sodann mit Beschluss vom 5. November 2009 yyy wegen Versorgungsausgleich den geschiedenen Ehemann zur Zahlung einer Ausgleichsrente ab 1. Juli 2009 in Höhe von 877,88 EUR monatlich und in Höhe der ab Rechtskraft der Entscheidung laufenden monatlichen Ausgleichsrente, seine Versorgungsansprüche gegenüber der P GmbH an seine von ihm geschiedene Ehefrau abzutreten. Das Gericht führte aus, der geltend gemachte Anspruch auf Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs sei nach § 1587 g Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch –BGB– begründet. Ihr, der Klägerin, stehe eine Ausgleichsrente zu, da zwischenzeitlich auch beide geschiedene Ehegatten eine Versorgung erlangt hätten. Sodann berechnete das Gericht die Höhe des Ausgleichsanspruchs. Die Gerichtskosten hatte die Antragstellerin zu tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der Parteien fand nicht statt, da in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Grundsatz gilt, dass jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat.

Daraufhin beschritt die Klägerin den Instanzenweg. Sie wandte sich an das zuständige OLG mit einer sofortigen Beschwerde (das Gericht bestätigte die Entscheidung des AG X) sowie einer (erfolglosen) Anhörungsrüge und anschließend an das BVerfG mit einer Verfassungsbeschwerde und an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte –EGMR–. Das BVerfG beschloss am 20. April 2010 ...

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