Entscheidungsstichwort (Thema)
Entfallen der erweiterten Gewerbeertragskürzung für Grundstücksunternehmen infolge des bloßen Haltens von Oldtimerfahrzeugen als Kapitalanlage
Leitsatz (redaktionell)
1. Sämtliche nicht in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genannten Tätigkeiten sind grundsätzlich kürzungsschädlich. Auf eine Entgeltlichkeit bzw. Unentgeltlichkeit der Tätigkeit kommt es nicht an.
2. Bei einer GmbH, die eigenes Immobilienvermögen hält und verwaltet, entfällt die erweiterte Gewerbeertragskürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, wenn sie als Kapitalanlage zwei Oldtimerfahrzeuge erworben hat. Das gilt auch dann, wenn sie die Fahrzeuge über viele Jahre hinweg noch nicht veräußert und folglich in den streitigen Erhebungszeiträumen keinerlei Erträge mit den Fahrzeugen erzielt hat.
Normenkette
GewStG § 9 Nr. 1 S. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Die Zuziehung eines Bevollmachtigten fUr das Vorverfahren wird fUr notwendig erklart.
Tatbestand
Streitig ist die Anwendbarkeit der erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 ff. des Gewerbesteuergesetzes in der in den Streitjahren 2016 bis 2020 geltenden Fassung (GewStG).
Die Klägerin ist eine GmbH, die eigenes Immobilienvermögen (…) hält und verwaltet. Im betrieblichen Anlagevermögen befinden sich außerdem zwei Oldtimer, die als Wertanlage mit Gewinnerzielungsabsicht – Oldtimer I im Jahr 2011 und Oldtimer II im Jahr 2012 – angeschafft worden sind. Mit den Oldtimern wurden bislang keinerlei Erträge – insbesondere nicht in den streitigen Erhebungszeiträumen – erzielt. Der Gegenstand des Unternehmens ist laut Gesellschaftsvertrag der Klägerin (…).
In ihren Gewerbesteuererklärungen für die Streitjahre beantragte die Klägerin die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG. Diese wurde in den Gewerbesteuermessbescheiden 2016 bis 2019 zunächst jeweils berücksichtigt. Die Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Mit Schreiben vom 1. September 2020 hörte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) die Klägerin zu der beabsichtigten Versagung der erweiterten Kürzung an. Gegenstand des Unternehmens sei nicht nur (…). Aufgrund der als Wertanlage im Betriebsvermögen befindlichen Oldtimer sei die von § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG geforderte Ausschließlichkeit nicht mehr erfüllt, sodass die erweiterte Kürzung nicht zur Anwendung kommen könne.
Mit Schreiben vom 16. September 2020 teilte die Klägerin mit, dass die Nutzung von Anlagevermögen keine Tätigkeit sei. Solange die Fahrzeuge nicht veräußert würden, ergäben sich keine schädlichen Einkünfte. Ob in der Zukunft Erlöse erzielt würden, sei unerheblich, da das Gesetz sich auf die tatsächlich erzielten Erlöse beziehe.
Am 27. Oktober 2020 erließ das FA entsprechend geänderte Gewerbesteuermessbescheide für 2016 bis 2019 und hob den Vorbehalt der Nachprüfung jeweils auf. In den Erläuterungen wurde jeweils ausgeführt, dass gegen das Ausschließlichkeitsgebot bereits deshalb verstoßen worden sei, weil mit dem Halten anderer Wertanlagen originär gewerbliche Einkünfte erzielt worden wären. Zudem erließ das FA am 24. November 2021 einen erstmaligen, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Gewerbesteuermessbescheid 2020, indem es die beantragte erweiterte Kürzung ebenfalls nicht gewährte.
Gegen die Gewerbesteuermessbescheide 2016 bis 2019 legte die Klägerin am 4. November 2020, gegen den Gewerbesteuermessbescheid 2020 am 25. November 2021 Einspruch ein. Es handele sich bei den Oldtimern nicht um eine schädliche Betriebsvorrichtung, sondern um unschädliches betriebliches Anlagevermögen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 6. April 2022 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück. Gegen das Ausschließlichkeitsgebot nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG sei verstoßen worden, da die aus dem Halten anderer Wertanlagen – hier Oldtimer – erzielten Einkünfte bei Veräußerung originäre schädliche gewerbliche Einkünfte darstellten. Nebentätigkeiten seien zwar unschädlich, wenn sie der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes im engeren Sinne dienten und als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung angesehen werden könnten. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben. Schließlich gebe es auch keine Bagatell- oder Geringfügigkeitsregelung.
Im Rahmen der dagegen erhobenen Klage führt die Klägerin aus, dass die Rechtsauffassung des FA fehl gehe. Das bloße Halten von Anlagegütern ohne Erzielung von Erträgen verstoße gerade nicht gegen das Ausschließlichkeitsgebot. In seiner Entscheidung vom 21. Juli 2016 IV R 26/14 (BStBl II 2017, 202) führe der Bundesfinanzhof (BFH) explizit aus, dass eine andere Tätigkeit nur dann schädlich sei, wenn sie entgeltlich erfolge. So könne der Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zwar dafür sprechen, dass jede darin nicht ausdrücklich als erlaubt aufgeführte Tätigkeit kürzungsschädlich sei, selbst wenn sie unentgeltlich erfolge. Da die erweiterte Kürzung allerdings auf Erträge abstelle, sei ni...