Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung von Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen bei kreditfinanziertem Aktienkauf
Leitsatz (redaktionell)
Schuldzinsen sind bei kreditfinanziertem Aktienkauf nur dann als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen steuerlich zu berücksichtigen, wenn über den Zeitraum von 10 Jahren ein (Total-)Überschuss der Kapitaleinnahmen über die Werbungskosten erzielt wird. Maßgebend ist dabei das Gesamtergebnis der voraussichtlichen Vermögensnutzung, wobei jedoch nichtsteuerbare und steuerfreie Veräußerungsgewinne außer Betracht bleiben
Normenkette
EStG 2003 § 3c Abs. 2, § 20
Tenor
1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob Schuldzinsen für den Erwerb von Aktien als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anzuerkennen sind.
Der Kläger (Kl) erzielte im Streitjahr aus seiner Tätigkeit als Finanzdienstleistungsmakler Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Seine Ehefrau, die Klägerin (Klin), erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In der Zeit von 1997 bis 2002 erwarb der Kl Vorzugsaktien der X-AG sowie Stammaktien der Y-AG zu einem Kaufpreis von insgesamt … EUR. Diesen finanzierte er zu 100 % durch die Aufnahme von Darlehen bei der A-Bank sowie bei der B-Bank. Aufgrund Umwandlung der Vorzugsaktien der X-AG in Stammaktien der Y-AG sowie mehrerer Aktiensplitts ergab sich für den Kl ab dem 20. März 2002 ein Bestand von 8.212 Stammaktien der Y-AG.
In den Jahren 1999 bis 2003 wurden – jeweils für die abgelaufenen Geschäftsjahre – die folgenden Dividenden je Stammaktie ausgeschüttet:
1999: |
0,22 EUR |
2000: |
0,29 EUR |
2001: |
0,38 EUR |
2002: |
0,50 EUR |
2003: |
0,00 EUR |
Am 28. Juli 2004 reichten die Kl ihre gemeinsame Einkommensteuer(ESt)-Erklärung für das Streitjahr beim Beklagten (Bekl) ein. Dabei machten sie u.a. Werbungskosten zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.H.v. 26.883 EUR geltend. Einnahmen aus Kapitalvermögen wurden nicht erklärt.
Mit Bescheid vom 7. Dezember 2004, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) erging, setzte der Bekl die ESt der Kl für das Streitjahr fest. Dabei erkannte er aufgrund des damals geltenden Halbeinkünfteverfahrens gemäß § 3c Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) Werbungskosten aus Kapitalvermögen in Höhe von 13.442 EUR an.
Aufgrund Prüfungsanordnung vom 16. März 2005 führte der Bekl eine Außenprüfung wegen Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer 2001 bis 2003 bei den Kl durch. Der Betriebsprüfer gelangte dabei zu der Auffassung, dass bis einschließlich 2002 Werbungskosten aus Kapitalvermögen gegeben seien, da bis zu diesem Zeitpunkt eine Absicht, einen Überschuss der Dividenden über die vom Kl zu tragenden Schuldzinsen zu erzielen, gegeben sei. Für die Zeit ab dem Jahr 2003 seien keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür nachgewiesen, dass sich in absehbarer Zeit ein Totalüberschuss ergeben könnte. Eine Berücksichtigung der Verluste im Rahmen des § 20 EStG entfalle daher ab diesem Zeitpunkt. Weiter führte der Betriebsprüfer in seinem BP-Bericht aus, die Überschusserzielungsabsicht bei einem fremdfinanzierten Aktienkauf sei zu verneinen, wenn die Schuldzinsen die voraussichtliche Rendite der Aktien deutlich überstiegen. Bei fehlender Überschusserzielungsabsicht sei die Anrechnung von Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer ausgeschlossen. Dabei müssten hinreichende Anhaltspunkte dafür ersichtlich sein, dass sich in absehbarer Zeit ein Totalüberschuss ergeben könne. Das Entstehen eines Totalüberschusses müsse zeitlich absehbar sein. Keine Veranlassung von Schuldzinsen und anderer Kreditkosten durch die Einkunftserzielung bestehe, wenn die Aufwendungen zwar objektiv mit der Überlassung von Kapital zusammenhingen, aber subjektiv vorwiegend zur Ausnutzung von Wertsteigerungen im Vermögen gemacht würden, deren Realisierung nicht steuerbar sei. Die Ausgaben würden dann nicht zur Erzielung von Kapitalerträgen gemacht, sondern fielen bei einer Kapitalüberlassung an, welche nicht den Tatbestand der Einkunftserzielung nach § 20 EStG erfülle. Deshalb fehle oder entfalle der Werbungskostencharakter bei Schuldzinsen und anderen Kreditkosten, wenn die Finanzierung der Anschaffung oder dem Halten einer Kapitalanlage diene, bei der die Absicht zur Realisierung von Wertsteigerungen im Vordergrund stehe. Für die Absicht der Erzielung steuerfreier Wertsteigerungen unter bloßer Mitnahme laufender Erträge spreche sowohl die Veräußerung der Kapitalanlage mit Gewinn als auch das lange Halten der Kapitalanlage, ohne dass die Schuldzinsen durch die laufenden Erträge gedeckt werden könnten. Insoweit bezog sich der Betriebsprüfer auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) in BFHE 134, 113, BStBI II 1982, 37 und in BFHE 135, 320, BStBl II 1982, 463. Überstiegen die Kreditzinsen auf Dauer die Erträge, sei davon auszugehen, dass mindestens im Lauf der Zeit die Absicht der Substanzverwertung maßgebend geworden und ein Schuldzinsenabzug nicht (...