Entscheidungsstichwort (Thema)
Niedrigbesteuerung nach § 8 Abs. 3 AStG. Tatbestandwirkung von Steuerbescheiden der Mitgliedsstaaten der EU im Inland. Irische Körperschaftsteuer als Steuer im Sinne von § 3 AO. einheitlicher und gesonderter Festetellung nach § 18 Außensteuergesetz 1995
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Frage der Niedrigbesteuerung – § 8 Abs. 3 AStG – kommt es im Grundsatz nicht auf die tatsächlich erhobene ausländische Ertragsteuer, sondern auf die nach dem Recht des betreffenden ausländischen Staates für die Einkünfte der Gesellschaft vorgesehene Steuer an. In diesem Zusammenhang ist eine Überprüfung der im Ausland erfolgten Steuerfestsetzung auf ihre Rechtmäßigkeit hin durch die deutsche Finanzverwaltung jedoch nur dann geboten, wenn sich aus dem Vortrag des Steuerpflichtigen oder aus anderen Umständen konkrete Hinweise darauf ergeben, dass die Steuer gegenüber der ausländischen Gesellschaft objektiv unrichtig festgesetzt worden ist.
2. Ein von einem EU-Mitgliedsstaat (hier: Irland) erlassener Steuerbescheid entfaltet für andere Mitgliedsstaaten Tatbestandswirkung, soweit sein Tenor reicht. Ob die Steuerfestsetzung zu Recht erfolgte und ob sie den dortigen Steuergesetzen entsprach, ist von den deutschen Steuerbehörden nicht mehr nachzuprüfen. Diese sind vielmehr aufgrund des Europäischen Gemeinschaftsrechts hieran gebunden und haben diesen wie einen Grundlagenbescheid ihrer Beurteilung zugrunde zu legen.
3. Die in Irland gezahlte Körperschaftsteuer ist eine Steuer im Sinne von § 3 AO.
Normenkette
AStG § 8 Abs. 3; AO 1977 §§ 2-3; GG Art. 59 Abs. 2; DBA IRL; EG Art. 56
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 18 AStG für das Feststellungsjahr 1995 vom 13. November 2001 und die Einspruchsentscheidung vom 8. April 2002 werden aufgehoben.
2. Das beklagte Finanzamt trägt die Kosten dies Rechtsstreits.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Das Urteil ist wegen der den Klägerinnen zu erstattenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Betragen die zu erstattenden Kosten nicht mehr als 1.500 Euro, ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. Übersteigt der Kostenerstattungsanspruch diesen Betrag, kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen in gleicher Höhe vor der Vollstreckung Sicherheit leisten.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine niedrige Besteuerung in Irland nach § 8 Abs. 3 Außensteuergesetz – AStG – vorliegt.
Die Klägerinnen (Klin) sind die alleinigen Gesellschafter der durch Gesellschaftsvertrag vom 4. Januar 1990 nach irischem Recht als Company limited by shares gegründeten … (kurz …. A.) mit dem Sitz in … und einem Kapital von DM … Mio im Streitjahr. An Kapital der Gesellschaft waren im Streitjahr 1995 die Klägerin zu 1 mit 88,89 %, die Klägerin zu 2 mit 11,11 % beteiligt. Zweck der Gesellschaft ist die Verwaltung und der Handel mit internationalen Kapitalanlagen. Die Gesellschaft investierte ihr Kapital in europäische, US-amerikanische und kanadische festverzinsliche Wertpapiere und Festgelder. Die A. wurde vom irischen Finanzminister als sogenannte SPIC (special purpose Investment Company) bestätigt, die den Anforderungen an ausländische Investoren zur Inanspruchnahme der begünstigten Steuersätze nach dem Finance Act 1980 (section 39 B) entspricht.
Die Gesellschaft verfügt über einen Board of Directors, der entsprechend angloamerikanischem Recht sowohl geschäftsführende als auch überwachende Funktion besitzt. Die Board-Sitzungen fanden ausschließlich in Irland statt. Der Board of Directors bestimmte die Strategie der Gesellschaft, insbesondere deren Anlagepolitik, und beschloss die wichtigen Geschäftsführungsmaßnahmen. Zur Abwicklung der Kapitalanlagegeschäfte im Einzelnen schloss die A. einen Management-Vertrag am 11. Oktober 1990 mit der von der … aufgebauten weiteren irischen Finanzdienstleistungsgesellschaft … (W.) mit Sitz in … ab. Die W. arbeitete eng mit dem Board der A. zusammen, entwickelte gemeinsam eine Anlagestrategie und setzte diese vertragsgemäß durch entsprechende Finanzgeschäfte in die Praxis um.
Die Gewinne der A. unterlagen in Irland der Körperschaftsteuer. Der normale Körperschaftsteuersatz betrug im Streitjahr 1995 bis zum 31. März 1995, 40 %, danach 38 %. Dieser Normalsatz konnte aber für irische Tochtergesellschaften im International Financial Service Centre („IFSC”) in … seit 1987 durch eine vom irischen Finanzminister mit Zustimmung eines Komitees der Regierung unterzeichnete Erklärung um bis zu 75 %, also auf einen Körperschaftsteuersatz von 10 %, ermäßigt werden. Die volle Ermäßigung um 75 % war der A. von der Gründung an zunächst eingeräumt worden.
Im zeitlichen Zusammenhang mit der Verschärfung der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter gern. § 10 Abs. 6 Satz 2 AStG wur...