rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Abschaffung der Mehrmütterorganschaft
Leitsatz (amtlich)
An der Befugnis des Gesetzgebers zur rückwirkenden Abschaffung (Veranlagungszeitraum 1992) der so genannten Mehrmütterorgangschaft bestehen ernstliche Zweifel.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2-3; GewStG § 2 Abs. 2, § 36 Abs. 2; KStG § 14 Abs. 2
Tatbestand
Die Antragstellerin war im Streitjahr 1992 zu 50 % an der X beteiligt. Die übrigen 50 % der Anteile hielt bis zum Jahre 1998 die xxxxxxx. Mit Gesellschaftsvertrag vom 25. Juni 1992 haben sich die Antragstellerin und die xxxxxxx zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts -GbR- zusammengeschlossen. Zweck dieser Gesellschaft war die Herstellung und Sicherung des gemeinsamen Einflusses auf die X. Außerdem haben die Antragstellerin und die xxxxxxx am 25. Juni 1992 mit der X einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen. Aufgrund der hierdurch begründeten Mehrmütterorganschaft hat der Antragsgegner der Antragstellerin für das Streitjahr 1992 im Rahmen des entsprechenden Feststellungsverfahrens folgende anteiligen Einkünfte zugewiesen:
1992 DM ./. 10 293 025,00.
Diese anteiligen negativen Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden auch im Rahmen der erstmaligen Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages der Antragstellerin berücksichtigt.
Im Rahmen einer bei der Antragstellerin für die Jahre ab 1989 durchgeführten Außenprüfung wurde die gewerbesteuerliche Mehrmütterorganschaft von dem Antragsgegner nicht anerkannt, sodass der betreffende Verlustanteil bei der Ermittlung des Gewerbeertrages und dementsprechend bei dem Gewerbesteuermessbetrag nicht berücksichtigt wurde. Unter Berücksichtigung weiterer strittiger Punkte wurde gegen die Antragstellerin mit Bescheid vom 10. Juni 1999 für das Streitjahr 1992 ein Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von DM 729 175,00 festgestellt.
Hiergegen hat die Antragstellerin Klage erhoben, die bei dem beschließenden Senat unter dem Aktenzeichen 8 K 8150/03 anhängig ist.
Mit Bescheid vom 13. Mai 2003 setzte der Antragsgegner die Vollziehung der Gewerbesteuer 1992 wegen der übrigen strittigen Punkte aus, wies den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung jedoch zurück, soweit er sich auf die Berücksichtigung des anteiligen Verlustes der X bezog (Problematik der Mehrmütterorganschaft).
Mit Schriftsatz vom 16. Juni 2003 beantragte deshalb die Antragstellerin beim Finanzgericht Berlin die Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermessbetrages gemäß § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung -FGO-.
Zur Begründung ihres Antrags trägt die Antragstellerin im Wesentlichen Folgendes vor:
Streitig sei die Zurechnung des anteiligen Gewerbeverlustes aus der Organgesellschaft X bei der Antragstellerin nach den Grundsätzen der Mehrmütterorganschaft.
Mit Urteilen vom 9. Juni 1999 (Az. I R 43/97, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2000, S. 695 und I R 37/98, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2000, S. 347) habe der BFH Muttergesellschaften im Rahmen einer Mehrmütterorganschaft als Organträger und damit als Vertragspartner des Gewinnabführungsvertrages mit der Folge anerkannt, dass gewerbesteuerlich die Organgesellschaft als Betriebsstätte der Muttergesellschaft gelte. Nach diesen Entscheidungen ist eine GbR, die lediglich der Willenskoordination dient, selbst kein Gewerbesteuerobjekt mit der Folge, dass Gewerbeerträge und -verluste der Organgesellschaft den Muttergesellschaften als Organträger anteilig zuzurechnen sind.
Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmensteuerrechts (und Straffreiheitsgesetz -StFG-) vom 20. Dezember 2001 (BStBl I 2002, S. 35 ff.) habe der Gesetzgeber durch eine Änderung des § 14 Abs. 2 Körperschaftsteuergesetz -KStG- und des § 2 Abs. 2 Gewerbesteuergesetz -GewStG- geregelt, dass die Personengesellschaft selbst Organträger und gewerbliches Unternehmen im Sinne des Gewerbesteuergesetzes sei. Durch eine entsprechende Änderung des § 36 Abs. 3 GewStG soll diese Regelung auch für Erhebungszeiträume vor 2002 anzuwenden sein. Nach Ansicht der Antragstellerin bestehen ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 3 FGO, ob die vom Gesetzgeber angeordnete Rückwirkung verfassungsgemäß ist.
Nach den oben genannten Entscheidungen des BFH vom 9. Juni 1999 seien die Beteiligungseinkünfte der Antragstellerin aus ihrer Beteiligung an der X auch gewerbesteuerlich unmittelbar der Antragstellerin zuzurechnen. Diese Rechtsprechung des BFH habe das bis dahin insoweit auslegungsbedürftige Gewerbesteuergesetz konkretisiert und die Rechtslage bzw. Rechtsauffassung der Antragstellerin bestätigt, die bis zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes durch das Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz -UntStFG- im Dezember 2001 Grundlage für die Disposition der Antragstellerin war.
Die durch das UntStFG im Dezember 2001 eingefügte Fassung des § 2 Abs. 2 GewStG stelle ein gegenüber der bis dahin geltenden Rechtslage belastendes Gesetz dar. Durch die in § 36 Abs. 2 GewStG angeordnete Rückwirkung der Neuregelung auf alle offenen Fälle der Vergangenheit, auch ...