Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtungsvorschriften der InsO mindern Haftungsanspruch nach der Abgabenordnung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Anfechtungsvorschriften der Insolvenzordnung wirken sich anspruchsreduzierend auf die steuerrechtlichen Haftungsvorschriften der Abgabenordnung aus.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 2-3; InsO § 133 Abs. 1 Sätze 1-2; AO § 69

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Antragsteller als ehemaliger Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ( xxx)mit Sitz in xxx) einer Fa. xxx xxx" mit Sitz in xxx (künftig: KG) für rückständige Kfz-Steuer der letztgenannten Gesellschaft vom Antragsgegner persönlich in Anspruch genommen werden kann.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Vollziehung des Haftungsbescheids vom 20. September 2004 (StNr.: xxx) ab Fälligkeit bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung 2 Bände Haftungs- und Kfz-Steuerakten vorgelegen, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.

 

Entscheidungsgründe

1. Der Antrag ist begründet.

Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FGO kann das Finanzgericht die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind danach zu bejahen, wenn bei der summarischen Prüfung des Bescheids anhand des Tatbestands, der sich aus den Akten ergibt, neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1967 III B 9/66, Bundessteuerblatt - BStBl - III 1967,182, seitdem ständige Rechtsprechung des BFH).

Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen nach dem derzeitigen Sachstand ernstlich Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheids vom 20. September 2004.

a.) Im Streitfall kommt eine Anfechtbarkeit etwaiger Zahlungen seitens der KG auf die ab dem Zeitpunkt der Bestellung des Antragstellers zum Geschäftsführer der Komplementär-GmbH neu fällig gewordenen oder zu diesem Zeitpunkt bereits rückständigen Kfz-Steuer-Forderungen des Antragsgegners nach § 133 Abs. 1 der Insolvenzordnung - InsO - in Betracht. Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift vollständig erfüllt sind, kann nach der derzeitigen Aktenlage nicht abschließend beurteilt werden. Es bedarf dazu noch weiterer Sachverhaltsfeststellungen im Rahmen des anhängigen Einspruchsverfahrens gegen den angefochtenen Haftungsbescheid.

Nach Ansicht mehrerer Finanzgerichte (vgl. FG des Saarlandes, Beschlüsse vom 22. März 1005 2 V 354/04, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2005,1091 und vom 20. Dezember 2004 2 V 385/04, veröffentlicht in juris, sowie FG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 28. Juli 2004 1 V 30/04 (rkr,), EFG 2004,1425 und vom 30. August 2004 1 V 49/03, EFG 2005,2; a.A. Sächsisches FG, nicht rkr. Urteil vom 24. Mai 2005 1 K 2361/04, EFG 2005,1238) wirken sich die Anfechtungsvorschriften der InsO anspruchsreduzierend auf die steuerlichen Haftungsvorschriften der Abgabenordnung - AO 1977 - aus. Der BFH hat in einer kürzlich bekannt gegebenen, zur Veröffentlichung in BFHE und im BStBl vorgesehenen Entscheidung insoweit immerhin das Vorliegen von "ernstlichen Zweifeln" an der Rechtmäßigkeit eines einschlägigen Lohnsteuerhaftungsbescheids bejaht (Beschluss vom 11. August 2005 VII B 244/04, bisher nur in juris veröffentlicht). Der Auffassung des BFH, dass insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der betreffenden Haftungsbescheide besteht, schließt sich das erkennende Gericht an.

Die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO erlaubt es dem Insolvenzverwalter, in einem zeitlichen Rahmen von bis zu zehn Jahren rückwirkend ab Antragstellung Rechtsvorgänge anzufechten (vgl. dazu im Einzelnen Busch/Hilbertz, NWB Nr. 11 v. 14.3. 2005 Fach 2, S. 8665 ff.) . Nach § 133 InsO sind Rechthandlungen anfechtbar, die der Schuldner mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine restlichen Gläubiger zu benachteiligen, wenn der begünstigte Gläubiger den Vorsatz kannte. Die Kenntnis des Antragsgegners wird vermutet, wenn dieser wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und dass die Handlung die übrigen Gläubiger benachteiligt (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO).

Benachteiligungsvorsatz i. S. von § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte bereits beim Vorhanden...

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