rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit eines erst nach Eintritt der Bestandskraft eines Bescheids über die Aussetzung der Vollziehung eines Grundlagenbescheids gestellten Antrags auf Anordnung des Ausschlusses einer Sicherheitsleistung. Rechtswidrigkeit eines statt des erforderlichen Zuteilungsbescheids ergangenen Zerlegungsbescheids
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Antrag auf Anordnung des Ausschlusses einer Sicherheitsleistung in einem Grundlagenbescheid ist auch dann noch zulässig, wenn er erstmals gestellt wird, nachdem die Finanzbehörde eine Aussetzung der Vollziehung für den Grundlagenbescheid ohne eine solche Anordnung des Ausschlusses einer Sicherheitsleistung gewährt hat und die Frist für einen Einspruch gegen den AdV-Bescheid bereits abgelaufen ist.
2. Ein ausdrücklicher Ausschluss einer Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung eines Grundlagenbescheides kommt nur in Betracht, wenn der gegen diesen gerichtete Rechtsbehelf mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein wird; diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Finanzbehörde einen Zerlegungsbescheid erlassen hat und richtigerweise einen Zuteilungsbescheid hätte erlassen müssen.
3. Ist klar, dass nur eine Betriebsstätte existiert oder nur einer von mehreren Betriebsstätten ein Anteil am Gewerbesteuermessbetrag zuzurechnen ist, und ist lediglich streitig, wo die einzige Betriebsstätte belegen ist oder welcher von mehreren Betriebsstätten der gesamte Gewerbesteuermessbetrag zuzurechnen ist, sieht § 190 AO einen Zuteilungsbescheid vor. Ergeht in einem solchen Fall dennoch ein Zerlegungs- und kein Zuteilungsbescheid, ist der Zerlegungsbescheid rechtswidrig und deshalb aufzuheben (vgl. FG Niedersachsen, Urteil v. 20.10.2009, 15 K 30359/06).
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2 S. 6, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 Sätze 1, 2 Nr. 2; AO §§ 185, 188, 190, 361 Abs. 3 S. 3
Tenor
In Bezug auf die bereits erfolgte Aussetzung der Vollziehung der Bescheide für die Jahre 2014, 2015 und 2016 über die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags vom 17.06.2022 wird die Anforderung einer Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuer-Folgebescheide ausgeschlossen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I. Die Antragstellerin beantragt, nachdem der Antragsgegner die Vollziehung der Gewerbesteuerzerlegungsbescheide 2014 bis 2016 ausgesetzt hat, nach § 69 Abs. 3 Satz 1, 2. Hs., Abs. 2 Satz 6 Finanzgerichtsordnung – FGO – die Sicherheitsleistung bei der Folgeaussetzung der Gewerbesteuerbescheide auszuschließen.
Die Antragstellerin behauptet, sie habe ihre Geschäftsleitung und einzige Betriebsstätte in den Streitjahren in B… gehabt. Unter dem 20.05.2016 (2014), 27.09.2017 (2015) und 28.5.2018 (2016) erließ der Antragsgegner für die Streitjahre Gewerbesteuermessbescheide (diese liegen dem Gericht nicht vor), bei denen sowohl der Antragsteller und der Antragsgegner als auch die Stadt B… davon ausgingen, dass die Gewerbesteuermessbeträge einzig der Stadt B… zuzuteilen seien. Die Gewerbesteuermessbescheide und die von der Stadt B… erlassenen Gewerbesteuerbescheide (die dem Gericht ebenfalls nicht vorliegen) wurden bestandskräftig.
Ab dem Jahr 2018 wurde eine Steuerfahndungsprüfung durchgeführt. Die Prüfer kamen im Bericht vom 15.02.2022 (Bl. 13ff. der Gerichtsakte –G-A–) zu der Einschätzung, in B… habe sich nur eine Scheinadresse befunden, während sich die Geschäftsleitung und einzige Betriebsstätte in Wahrheit im C… befunden habe. Daraufhin erließ der Antragsgegner die hier verfahrensgegenständlichen Zerlegungsbescheide für 2014 bis 2016 vom 17.06.2022 (Bl. 21ff. G-A), in denen er der Stadt C… 100% und der Stadt B… 0% der Gewerbesteuermessbeträge zurechnete.
Unter dem 07.07.2022 erließ die Stadt C… Gewerbesteuerbescheide (diese liegen dem Gericht nicht vor) auf Grundlage der Zerlegungsbescheide vom 17.06.2022, aus denen sich Gewerbesteuerforderungen i. H. v. insgesamt 536.564,75 EUR ergeben.
Die Antragstellerin legte mit Schreiben vom 12.07.2022 (dieses liegt dem Gericht nicht vor) Einspruch gegen die drei Zerlegungsbescheide für 2014 bis 2016 vom 17.06.2022 ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung – AdV – der Zerlegungsbescheide, wohl ohne dabei den Ausschluss einer Sicherheitsleistung nach § 69 Abs. 3 Satz 1, 2. Hs., Abs. 2 Satz 6 FGO zu beantragen. Auch gegen die Gewerbesteuerbescheide vom 07.07.2022 legte die Antragstellerin Widersprüche ein (diese liegen dem Gericht ebenfalls nicht vor).
Mit Bescheiden vom 12.09.2022 (auch diese liegen dem Gericht nicht vor) bewilligte der Antragsgegner die AdV der Zerlegungsbescheide vom 17.06.2022, mutmaßlich ohne sich zu der Frage einer Sicherheitsleistung zu äußern.
Mit Schreiben vom 02.11.2022 (welches dem Gericht nicht vorliegt) kündigte die Stadt C… an, die Folge-AdV der Gewerbesteuerbescheide nur gegen Sicherheitsleistung zu gewähren.
Mit Schreiben vom 07.12.2022 (dieses liegt dem Gericht wiederum nicht vor) beantragte d...