rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Berliner Zweitwohnungsteuer ist keine Verbrauchsteuer. Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre. leichtfertige Verkürzung von Zweitwohnungsteuer bei Verletzung melderechtlicher Verpflichtungen durch einen Fachanwalt für Steuerrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Berliner Zweitwohnungsteuer handelt es sich nicht um eine Verbrauchsteuer, sondern um eine örtliche Aufwandsteuer. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre.
2. Neben dem Wortlaut des Art. 105 Abs. 2a GG kommt es für die Frage, ob die Zweitwohnungsteuer der Gruppe der Verbrauchsteuern zuzuordnen ist oder nicht, auf die gesetzestechnische Ausgestaltung dieser Steuer an. Der Berliner Zweitwohnungsteuer fehlt insbesondere das die typischen Verbrauchsteuern kennzeichnende Merkmal der Überwälzbarkeit.
3. Ein Fachanwalt für Steuerrecht handelt leichtfertig im Sinne des § 378 AO, wenn er es unterlässt, seinen melderechtlichen Pflichten nachzukommen, und dadurch die Zweitwohnungsteuer verkürzt.
Normenkette
ZwStG Bln §§ 1, 4 Abs. 2 S. 2, § 6; AO § 169 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nrn. 1-2, S. 2, §§ 370, 378; GG Art. 105 Abs. 2a; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Vollziehung der nachfolgenden Steuerbescheide vom 14.07.2015 wird ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ausgesetzt:
- Bescheid für 2003, 2004, 2005 über Zweitwohnungsteuer (Steuernummer …) in vollem Umfang
- Bescheid für 2006, 2007, 2008 über Zweitwohnungsteuer (Steuernummer …) für das Jahr 2006.
Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden zu 77 % dem Antragsteller und zu 23 % dem Antragsgegner auferlegt.
Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller, ein Fachanwalt für Steuerrecht mit Hauptwohnsitz in B., erwarb gemeinsam mit seiner Ehefrau im Jahr 2000 zwei noch fertigzustellende nebeneinander liegende Eigentumswohnungen in Berlin, D.-straße (Wohnungen Nr. 19 und Nr. 20). Die Wohnungen werden seit Fertigstellung überwiegend privat genutzt. Lediglich die Wohnung Nr. 20 diente dem Antragsteller vorübergehend – bis zum Jahr 2009 – vollständig zu freiberuflichen Zwecken, was bei der Festsetzung der Zweitwohnungsteuer entsprechend berücksichtigt wurde.
Da weder der Antragsteller noch seine Ehefrau ihren Zweitwohnsitz in Berlin anmeldeten, erfolgte seitens der Meldebehörde auch keine diesbezügliche Mitteilung an den Antragsgegner zur Festsetzung der Berliner Zweitwohnungsteuer – BlnZwStG –.
Erst mit Schreiben vom 20.05. und 04.08.2014 wandte sich die Ehefrau des Antragstellers an die Senatsverwaltung und erbat Informationen zur Berliner Zweitwohnungsteuer sowie um Übersendung der notwendigen Formulare.
Am 03.09.20014 gingen beim Antragsgegner für beide Wohnungen Zweitwohnungsteuererklärungen ein, zu denen die Ehefrau des Antragstellers mitteilte, dass sie diese auch im Namen des Antragstellers einreiche. Als Beginn der Zweitwohnungsteuerpflicht benannte sie das Jahr 2000 (Wohnung Nr. 20) bzw. das Jahr 2002 (Wohnung Nr. 19). Sie teilte vorsichtshalber zudem mit, dass sie niemals zuvor auf die Zweitwohnungsteuer hingewiesen worden sei und von deren Existenz keine Kenntnis gehabt habe. Erst durch die bekannten „politischen” Fälle sei sie hierauf aufmerksam geworden.
Das daraufhin gegen den Antragsteller und seine Ehefrau durch das Finanzamt C. eingeleitete Strafverfahren wurde am 16.07.2015 für die Jahre 2003 bis 2010 wegen Strafverfolgungsverjährung und für die Jahre 2011 bis 2014 wegen Geringfügigkeit wieder eingestellt.
Mit Bescheiden vom 14.07.2015 setzte der Antragsgegner zur Steuernummer … (Wohnung Nr. 19) für die Jahre 2003 bis 2017 und zur Steuernummer … (Wohnung Nr. 20) ab dem 01.07.2009 (Ende der beruflichen Nutzung) bis 2017 fortlaufend die Zweitwohnungsteuer unter Zurechnung von je ½ gegenüber dem Antragsteller und seiner Ehefrau fest. Gegen sämtliche Bescheide haben der Antragsteller und seine Ehefrau für die Festsetzungszeiträume bis 2013 Einspruch eingelegt, den sie damit begründeten, dass es sich bei der BlnZwSt um eine Verbrauchsteuer im Sinne des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung – AO – handele und daher längstens Festsetzungsverjährung für die angefochtenen Jahre eingetreten sei. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wies der Antragsgegner jeweils mit Verfügungen vom 11.09.2015 sowohl gegenüber dem Antragsteller als auch gegenüber seiner Ehefrau als unbegründet zurück. Über die Einsprüche hat der Antragsgegner bisher nicht entschieden.
Nunmehr begehrt der Antragsteller die Aussetzung der Zweitwohnungsteuer bis einschließlich 2013 durch das Finanzgericht.
Zur Begründung seines Antrags trägt er vor, dass hinsichtlich der Steuerfestsetzungen längstens die Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Da es sich um eine Verbrauchsteuer handele, gelte die Festsetzungsfrist von 1 Jahr gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Folgerichtig beginne die Festsetzungsverjährung gemäß §...