Entscheidungsstichwort (Thema)
In Rechtsbehelfsbelehrungen ausdrücklicher Hinweis auf die Möglichkeit der Einlegung eines Einspruchs durch einfache Email nicht erforderlich
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Einspruch kann zulässig auch mit „einfacher” Email (ohne qualifizierte elektronische Signatur oder ähnliches) eingelegt werden (vgl. BFH, Urteil v. 13.5.2015, III R 26/14, BFH/NV 2015 S. 1457).
2. In Rechtsbehelfsbelehrungen von nach der AO erlassenen Bescheiden, in denen entsprechend dem Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO auf die Möglichkeit der elektronischen Einlegung des Einspruchs hingewiesen wird, muss nicht zuätzlich auch noch darauf ausdrücklich hingewiesen werden, dass bei Einspruchseinlegung per Email eine „einfache” Email ausreicht.
Normenkette
AO § 356 Abs. 2, 1, § 357 Abs. 1 S. 1, § 87a Abs. 1, 3
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rückforderung von Kindergeld in einem Fall mit Auslandsbezug. Vorab ist die Rechtzeitigkeit des Einspruchs und in diesem Zusammenhang die Richtigkeit der Rechtsmittelbelehrung in Bezug auf die Einlegung des Einspruchs mittels Email zu prüfen.
I.
Mit Bescheid vom 18.06.2021 hob die beklagte Familienkasse das zuvor für die Kinder B… und C… festgesetzte Kindergeld für den Zeitraum Januar 2017 bis Dezember 2019 auf und forderte deswegen 9.109,65 EUR von der Klägerin zurück. Der Bescheid enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung, in der es u. a. heißt, der Einspruch sei bei der beklagten Familienkasse „schriftlich einzureichen, dieser elektronisch zu übermitteln oder dort zur Niederschrift zu erklären”. Wegen des genauen Wortlauts der Rechtsbehelfsbelehrung wird im Übrigen auf diese Bezug genommen.
Im Ausdruck der elektronischen Kindergeldakte trägt der Bescheid auf seiner Seite 1 oben den Aufdruck „Entwurf” und unter dem Schluss auf Seite 4 die Bearbeitungsvermerke „1. Original an Adressaten senden. 2. WV: Prüfung BuStra-Verfahren 3. z.d.A.”. Auf der folgenden Seite befindet sich eine „Verfügung zur Rückforderung” ebenfalls vom 18.06.2021, an deren Ende es heißt: „Im Auftrag gez. D… (Dieser Vermerk wurde von D… erstellt und an die eAkte übergeben)”
Auf Befragen des Berichterstatters gibt die Klägerin an, zum Zeitpunkt und zur Art und Weise des Zugangs des Bescheids keine genauen Angaben mehr machen zu können, den Bescheid jedoch spätestens am 09.07.2021 erhalten zu haben.
Mit Faxschreiben vom 12.10.2021 legte die Klägerin durch den Klägervertreter Einspruch ein, den die beklagte Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 03.12.2021 als unzulässig, da verspätet, ohne Prüfung in der Sache verwarf.
II.1.
Am 16.12.2021 erhob die Klägerin Klage, mit der sie – unter Vorlage des angefochtenen Bescheids und der Einspruchsentscheidung – zum einen Ausführungen zur Sache, also zur Kindergeldberechtigung, macht. Zur Frage der Rechtzeitigkeit des Einspruchs hat sie zunächst ausgeführt:
Aufgrund des Zustandes der Akte zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids sei nicht mehr festzustellen, ob, wann und in welcher Form der verfahrensgegenständliche Bescheid verfasst und abgeschickt worden sei. In zwei vorherigen Verfahren der Klägerin (betreffend April 2016 bis Juni 2017 für das Kind C…, 11 K 11048/21, und betreffend Juli 2017 bis November 2017 für das Kind B…, 11 K 13100/21) habe der 11. Senat jeweils entschieden, dass aufgrund der Aktenführung der beklagten Familienkasse die Voraussetzungen der Aufhebung nicht nachvollziehbar seien (Gerichtsbescheide vom 06.10.2021).
Die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid sei irreführend, denn sie suggeriere dem Empfänger, dass auch eine Einlegung per herkömmlicher E-Mail ausreiche. Die Belehrung enthalte keinen Hinweis, dass damit entweder eine De-Mail oder E-Mail mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemeint sei, auf § 87a Abgabenordnung – AO – werde verwiesen. Daher habe die Einspruchsfrist gemäß § 356 Abs. 2 Satz 1 AO ein Jahr betragen, womit der Einspruch rechtzeitig erfolgt sei.
2.
Auf den Hinweis des Berichterstatters, dass die Einlegung eines Einspruchs per „einfacher” Email (ohne qualifizierte elektronische Signatur) gerade möglich sei (vgl. Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 13.05.2015 III R 26/14, BFH/NV 2015, 1457, Juris Rn. 20; Rätke in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 357 Rn. 5; Siegers in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 357 AO Rn. 19, 21; Bartone in Gosch, AO/FGO, § 357 AO Rn. 23) und der Eindruck, der nach den Ausführungen der Klageschrift beim Leser der Rechtsbehelfsbelehrung erweckt werde, daher nicht falsch, sondern gerade richtig sei, führt die Klägerin nunmehr aus:
Die Klägerin halte die Belehrung weiterhin für unrichtig. Die Belehrung im Bescheid lasse in Anbetracht des Wortlauts des § 87a Abs. 3 AO und der genannten Entscheidung des BFH mehrere Deutungen zu. Der Gesetzeswortlaut zwinge zu dem Schluss, dass ein Einspruch mit einer einfachen E-Mail nicht ausreiche. Die...