Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines Grundstücks (§ 198 BewG) für Bewertungsstichtage vor dem 23.7.2021 nur mit Gutachten öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, nicht aber durch Gutachten lediglich nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierter Sachverständiger zulässig

 

Leitsatz (redaktionell)

Auch nach Inkrafttreten des GrStRefUG und der damit verbundenen Änderung von § 198 BewG kann aufgrund der Stichtagsregelung des § 265 Abs. 12 BewG für Bewertungsstichtage bis zum 22.7.2021 nur mit Gutachten öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts im Sinne des § 198 BewG geführt werden; insoweit war für Bewertungsstichtage vor dem 23.7.2021 ein Gutachten eines nicht öffentlich bestellten, nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierten Sachverständigen für die Bewertung bebauter und unbebauter Grundstücke nicht ausreichend.

 

Normenkette

BewG 2020 § 198; BewG 2022 § 198 Abs. 1-2, § 265 Abs. 12; GewO §§ 36, 36a

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Grundbesitzbewertung, dort um die Anerkennung von Gutachten zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts (§ 198 BewertungsgesetzBewG –), wobei vorab die Qualifikation des Gutachters zu würdigen ist.

I.1.

§ 198 BewG bestand bis zu seiner Änderung durch das Gesetz zur erleichterten Umsetzung der Reform der Grundsteuer und Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz – GrStRefUG) vom 16.07.2021 nur aus dem Text, der seitdem zum Abs. 1 dieser Vorschrift geworden ist, und machte mithin zur Frage, wie der Nachweis erbracht werden kann, keine näheren Angaben. Der Bundesfinanzhof – BFH – hatte bereits zur Vorgängervorschrift (§ 146 Abs. 7 BewG a. F.) mit Urteil vom 11.09.2013 II R 61/11, BFH/NV 2014, 208, Juris, ausgesprochen, dass wenn der Nachweis durch Vorlagen eines Gutachtens erfolgt, dann der Nachweis nur durch ein Gutachten erbracht werden kann, das der örtlich zuständige Gutachterausschuss oder ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von Grundstücken erstellt hat. Zu § 198 BewG hat der BFH in einem Fall, in dem das Gutachten eines zwar zertifizierten, aber nicht öffentlich bestellten Sachverständigten vorgelegt worden war, mit Urteil vom 05.12.2019 II R 9/18, BFH/NV 2020, 949, Juris, den gleichen Grundsatz bekräftigt und dazu ausgeführt (Juris Rn. 19–22):

„Das Gutachten eines Sachverständigen ist nur zum Nachweis geeignet, wenn es sich um ein fachlich in besonderer Weise qualifiziertes Gutachten handelt. Nur damit kann der Bedeutung der Nachweislast im Unterschied zur Darlegungs- und Feststellungslast (s.o. unter II.1.b) genügt werden. Einerseits kann jedes von dem Beteiligten vorgelegte Gutachten prozessrechtlich lediglich Beteiligtenvorbringen sein. Der Beweis nach § 92 der Abgabenordnung bzw. §§ 81, 82 FGO (i. V. m. den jeweiligen Vorschriften der ZPO), den der Steuerpflichtige antritt und das Gericht erhebt, entspricht gerade nicht dem Nachweis in diesem Sinne. Andererseits ist häufig das Beteiligtenvorbringen nicht in dem Sinne nachweisgeeignet, dass ihm ohne weitere Beweiserhebung gefolgt werden könnte. Wenn über die Tragfähigkeit dieses Vorbringens wiederum Beweis erhoben werden müsste, bestünde kein Unterschied mehr zur Darlegungs- und Feststellungslast.

Nur das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen i.S. der §§ 36, 36a GewO bietet eine erhöhte Wahrscheinlichkeit dafür, dass weitere Beweiserhebungen entbehrlich sind. Diese verfügen über eine Doppelqualifikation, nämlich in fachlicher und persönlicher Hinsicht. Die öffentliche Bestellung von Sachverständigen nach § 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GewO setzt einerseits u.a. den Nachweis besonderer Sachkunde und das Fehlen von Bedenken gegen die Eignung voraus. Nach § 36 Abs. 1 Satz 2 GewO sind sie andererseits darauf zu vereidigen, dass sie ihre Sachverständigenaufgaben unabhängig, weisungsfrei, persönlich, gewissenhaft und unparteiisch erfüllen und ihre Gutachten entsprechend erstatten werden. Diese Sachverständigen vereinen damit eine über den Sachkundenachweis belegte Fachkompetenz mit einer über die Vereidigung bewirkten besonderen persönlichen Verpflichtung auf die Integrität ihrer gutachterlichen Arbeit. Demgegenüber ist die allgemeine Bezeichnung „Sachverständiger für …” nicht gesetzlich verankert und deshalb auch nicht besonders geschützt.

Der BFH verkennt nicht, dass im Einzelfall auch ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen unzureichend sein kann, dass umgekehrt auch ein Gutachten eines nicht öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen fachlich beanstandungsfrei und integer sein kann. Er erachtet es jedoch für eine zulässige Typisierung, an die öffentliche Bestellung und Vereidigung eine entsprechende Vermutung zu knüpfen.

Das FG hat zu Recht ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge