Entscheidungsstichwort (Thema)
Verspätungsgeld bei nicht fristgerechter Übermittlung von Rentenbezugsmitteilungen durch Rentenversicherungsträger nicht verfassungswidrig. keine feststehende Mitteilungspflicht für Rehabilitationszahlungen im Veranlagungszeitraum 2013
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Vorschrift des § 22a Abs. 5 S. 1 EStG – Verspätungsgeld bei nicht fristgerechter Übermittlung von Rentenbezugsmitteilungen i. S. d. § 22a Abs. 1 S. 1 EStG u.a. durch Rentenversicherungsträger – ist nicht verfassungswidrig und verstößt insbesondere weder unter Berücksichtigung der Bußgeldvorschrift des § 50f EStG gegen das Verbot der Doppelbestrafung, noch unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks gegen den aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das gesetzlich vorgesehene Verzögerungsgeld ist auch der Höhe nach nicht unangemessen.
2. Eine Verfassungswidrigkeit von § 22a Abs. 5 EStG ergibt sich auch nicht daraus, dass die Mitteilungspflichtigen als nicht am konkreten Steuerrechtsverhältnis Beteiligte und somit als Dritte zunächst nach Abs. 1 der Norm unentgeltlich verpflichtet werden, die Rentenbezugsmitteilungen zu übermitteln, und bei nicht fristgerechter Übermittlung nach Abs. 5 ein Verspätungsgeld zu zahlen haben.
3. Da das Verspätungsgeld nach § 22a Abs. 5 S. 3 EStG dann nicht zu erheben ist, wenn der Mitteilungspflichtige die Fristüberschreitung nicht zu vertreten hat, verstößt die Inanspruchnahme der Rentenversicherungsträger als Dritte auch nicht gegen das Übermaßverbot.
4. Für die Frage, ob der Mitteilungspflichtige die Fristüberschreitung nach § 22a Abs. 5 S. 3 EStG zu vertreten hat, finden die im Steuerrecht geltenden allgemeinen Verschuldensmaßstäbe Anwendung, d. h. der Mitteilungspflichtige hat nur Vorsatz bzw. grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. War im Veranlagungszeitraum 2013 streitig und ungeklärt, ob Rehabilitationszahlungen von § 22a Abs. 1 EStG erfasst werden, so war der Mitteilungspflichtige insoweit nicht zu einer vorsorglichen Mitteilung verpflichtet und hat die unterbliebene Mitteilung nicht als Fahrlässigkeit zu vertreten. Er hat es aber zu vertreten, wenn Leistungsempfänger ihre Steuer-Identifikationsnummern nicht mitgeteilt haben und der Mitteilungspflichtige nicht von seiner Anfragemöglichkeit beim Bundeszentralamt für Steuern nach § 22a Abs. 2 S. 2 EStG Gebrauch gemacht hat.
5. Bei § 22a Abs. 5 EStG handelt sich nicht um eine dem Ordnungswidrigkeitenrecht zuzuordnende Bußgeldvorschrift, sondern um eine – wie § 3 Abs. 4 AO dies ausdrücklich festlegt – steuerliche Nebenleistung, die dazu dient, den rechtzeitigen Eingang der Rentenbezugsmitteilungen und damit auch die rechtzeitige Festsetzung und Entrichtung der Steuern sicherzustellen.
6. Für Streitigkeiten wegen des Verspätungsgelds ist der Finanzrechtsweg gegeben.
Normenkette
EStG 2012 § 22a Abs. 5 Sätze 1, 3, 5, Abs. 1 S. 1 Nr. 4, Abs. 2 S. 2, § 50f Abs. 1 S. 1; GG Art. 103 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1, Art. 12, 14; AO § 3 Abs. 4; FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
Der Bescheid der Beklagten betreffend die Festsetzung von Verspätungsgeld für den Veranlagungszeitraum 2013 vom 04.03.2015 in Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 14.12.2015 und der Einspruchsentscheidung vom 09.02.2016 wird dahingehend geändert, dass das Verspätungsgeld nur in Höhe von 1.060,00 EUR erhoben werden darf.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin zu 74 % und der Beklagten zu 26 % auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Prüfung nach § 22 a Abs. 4 Einkommensteuergesetz – EStG – stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin Rentenbezugsmitteilungen für den Veranlagungszeitraum 2013 nicht fristgerecht übermittelt habe. Mit Bescheid vom 04.03.2015 setzte sie zunächst ein Verspätungsgeld i.H.v. 2.070,00 EUR fest, welches sie im Laufe des sich anschließenden Einspruchsverfahrens mit Bescheid vom 14.12.2015 auf 1.440,00 EUR herabsetzte. Mit der Einspruchsentscheidung vom 09.02.2016, auf die Bezug genommen wird, wies sie den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die Klägerin die verspätete Übermittlung der Mitteilungen zu Rehabilitationszuschüssen zu vertreten habe. Die ursprünglich bestehende Rechtsunsicherheit zur Frage der Meldepflicht sei spätestens mit dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 07.11.2011 entfallen. Danach habe der Klägerin die grundsätzliche Übermittlungspflicht hinsichtlich aller Leistungen bekannt sein müssen. Unabhängig davon sei die Klägerin bereits in den Vorjahren verpflichtet gewesen, die Frage der Übermittlungspflicht von Ermessensleistungen einer Klärung zuzuführen. Hinsichtlich der weiteren Beanstandung...