Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermietungseinkünfte bei Erhalt einer Entschädigung für die Duldung der Errichtung einer Deichanlage auf dem Grundstück des Steuerpflichtigen
Leitsatz (redaktionell)
1. Erhält der Grundstückseigentümer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags mit der zuständigen Hochwasserschutzbehörde eine einmalige Entschädigung dafür, dass auf einem Teil seines Grundstück eine Hochwasserschutzwand (Deichanlage) errichtet wird, die Behörde zum Unterhalt der Anlage diesen Teil des Grundstück auch künftig betreten darf und dass die Deichanlage unbefristet mit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit abgesichert wird, so führt die Entschädigungszahlung ungeachtet dessen zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, dass bei Nichtzustandekommen einer privatrechtlichen Vereinbarung nach Landesrecht auch eine Enteignung möglich gewesen wäre und dass die Beteiligten die Entschädigung auf Basis der Wertminderung des Grundstücks berechnet und vereinbart haben.
2. Die Entschädigung (unter 1.) führt nicht zu sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 3 EStG, da die Vorschrift ein vertraglich vereinbartes Dulden voraussetzt und bei hoheitlichen Eingriffen unanwendbar ist; eine Leistung gem. § 22 Nr. 3 EStG liegt auch dann nicht vor, wenn der Steuerpflichtige zur Vermeidung einer förmlichen Enteignung daran mitwirkt, eine dem Ergebnis eines Enteignungsverfahrens entsprechende Beschränkung seines Eigentums gegen Entschädigung hinzunehmen.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 S. 1 Nrn. 6-7, § 22 Nr. 3, § 24 Nr. 3; BGB § 1090
Tenor
Der Einkünftefeststellungsbescheid 2007 vom 30.12.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.10.2010 wird dahingehend geändert, dass die Feststellung von sonstigen Einkünften entfällt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die steuerliche Behandlung der Entschädigung für die Errichtung einer Hochwasserschutzwand (Deichanlage) auf dem Grundstück der Klägerin (Streitjahr: 2007).
I.1.
Die klägerische GbR ist Eigentümerin zweier benachbarter Hausgrundstücke in der Altstadt von L. (M.-platz …a, Flurstück 10…, und M.-platz …b, Flurstück 10…), die hinten an die N.-Fluss angrenzen.
2.
Das Land O., vertreten durch den Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft O., beabsichtigte eine Deichsanierung (Erhöhung der vorhandenen Deichtrasse mit Einfügung einer Hochwasserschutzwand). Die Inanspruchnahme von Grundstücken für den Hochwasserschutz ist durch Enteignung möglich (§ 71 Wasserhaushaltsgesetz – WHG – i. V. m. §§ 4 ff. Enteignungsgesetz O.). Das Land bemüht sich jedoch regelmäßig zunächst um eine einvernehmliche Regelung mit den betroffenen Eigentümern. Die Festlegung der Höhe der zu zahlenden Entschädigung im Rahmen eines solchen privatrechtlichen Vertrages zwischen Vorhabenträger und Grundstückseigentümer unterliegt der Vertragsfreiheit.
Das Land bemühte sich bei der Klägerin und den Eigentümern der Nachbargrundstücke zunächst, einen jeweils abzutrennenden hinteren Grundstücksteil zu kaufen. Es stand in Rede, dass dort zusammen mit der Deicherrichtung dann ein öffentlicher Radweg längs des Deiches gebaut werden sollte. Die Mieter opponierten gegen einen faktischen öffentlichen Zugang von hinten. Mit Rücksicht darauf lehnte die Klägerin, wie auch die Nachbareigentümer, einen Verkauf ab. In der Folge kam es zu Verhandlungen über die letztlich zustande gekommene Dienstbarkeit, wobei das Land darauf hinwies, dass bei Nichtzustandekommen einer einvernehmlichen Regelung das Ziel zur Not auch durch Enteignung zu erreichen wäre.
Die Landgesellschaft O. mbH, die die Grundstücksbeschaffung für den Landesbetrieb vermittelt, ließ das Wertgutachten vom 17.06.2005 (FG-A Bl. 22) erstellen, machte dieses der Klägerin jedoch zunächst nicht zugänglich. Es kam zu telefonischen Verhandlungen mit einem Gesellschafter der Klägerin und zu einer Einigung. In deren Gefolge wurden fünf Vereinbarungen zwischen dem Land und der Klägerin geschlossen:
- eine „Entschädigungszahlung wegen Aufwuchsbeseitigung” vom 01.08.2007 (157 EUR für 1 Linde und 1 Pflaume, betreffend beide Grundstücke, FG-A Bl. 34)
- zwei „Entschädigungszahlungsvereinbarung wegen Minderung des Verkehrswertes”, ebenfalls vom 01.08.2007 (Flurstück 10… 15.267 EUR, FG-A Bl. 36; Flurstück 10… 20.522 EUR, FG-A Bl. 35)
- zwei „Gestattungsvertrag über die Inanspruchnahme von Grundstücken mit dinglicher Sicherung” [Datum unbekannt] (Flurstück 10… 4.454,11 EUR, FG-A Bl. 51; Flurstück 10… 6.266,27 EUR, FG-A Bl. 39)
Mit der Entschädigungszahlungsvereinbarung gestattet der Eigentümer:
- die Hochwasserschutzwand zu errichten,
- das Grundstück zwecks Errichtung...