rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von Spielgeräten nach dem Stückzahlmaßstab. keine Vorlagepflicht zum BVerfG, wenn zu erwarten ist, dass die angefochtene Regelung anwendbar bliebe. keine Kompetenz der FG zur Aufhebung einer als verfassungswidrig angesehenen Regelung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die in § 3 Abs. 2 S. 1 VgStG-Sp-Berlin (Gesetz über eine Vergnügungsteuer für Spielautomaten) in der Fassung vom 31.5.2000 angeordnete Besteuerung von Spielgeräten nach dem Stückzahlmaßstab verletzt möglicherweise das Gebot gleichheitsgerechter Besteuerung und könnte daher unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG sein.
2. Trotz Überzeugung des Gerichts von der Verfassungswidrigkeit einer landesrechtlichen Vorschrift besteht keine Vorlagepflicht zum BVerfG, wenn das Gericht aufgrund einer zu einer vergleichbaren Regelung eines anderen Bundeslands (hier § 4 Abs. 1 des Hamburgischen SpStG) ergangenen Entscheidung des BVerfG davon überzeugt ist, dass das BVerfG allenfalls die Unvereinbarkeit feststellen würde und es im Ergebnis bei der Anwendbarkeit der angefochtenen Regelung bliebe.
3. Es steht nicht in der Kompetenz des FG, eine für verfassungswidrig gehaltene Vorschrift aufzuheben. Dem steht nicht entgegen, dass die verwaltungsgerichtliche Praxis hinsichtlich der Anwendungsregelungen von der finanzgerichtlichen Praxis insoweit abweicht, als die Vergnügungsteuer-Satzungen der für die Vergnügungsteuer zuständigen Gemeinden einzelner Bundesländer (z.B. in Baden-Württemberg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Saarland) von den Verwaltungsgerichten rückwirkend aufgehoben werden können, Vergnügungsteuergesetze von den FG hingegen nicht.
Normenkette
VgStG-Sp Berlin § 3 Abs. 2 S. 1 Fassung: 2000-05-31; SpStG Hamburg § 4 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12, 100 Abs. 1; BVerfGG § 79; VwGO § 47 Abs. 5
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Sache befindet sich im II. Rechtszug.
Die Beteiligten streiten im II. Rechtszug darum, ob die Vergnügungsteuer für den Monat Juli 2000 erhoben werden durfte.
Die Klägerin betrieb ein Automatenaufstellungsgewerbe mit … in Spielhallen aufgestellten Glücksspielautomaten. Der Beklagte setzte die Vergnügungsteuer der Klägerin für Juli 2000 abweichend von deren Vergnügungsteueranmeldung (DM 300 pro Spielgerät) mit Bescheid vom … September 2000 auf der Grundlage der ab Juli 2000 geltenden höheren Steuersätze (DM 600 pro Spielgerät) fest. Dem lag die Neuregelung des Berliner Vergnügungsteuergesetzes zugrunde.
Art. 1 des vom Abgeordnetenhaus von Berlin am 31. Mai 2000 beschlossenen und am 1. Juli 2000 in Kraft getretenen Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Vergnügungsteuer für Spielautomaten (GVBl. S. 343) – VgStG-Sp – lautete:
„§ 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über eine Vergnügungsteuer für Spielautomaten vom 28.10.1988 (GVBl. S. 1961), das zuletzt durch das Gesetz vom 22.06.1994 (GVBl. S. 185) geändert worden ist, erhält folgende Fassung:
Die Steuer beträgt je Spielautomat und angefangenen Kalendermonat für das Aufstellen von Spielautomaten in Spielhallen und ähnlichen Unternehmen im Sinne des § 33i der Gewerbeordnung
mit Gewinnmöglichkeit |
600,– DM (vorher 300 DM), |
ohne Gewinnmöglichkeit |
300,– DM (vorher 150 DM), |
Spielautomaten an den übrigen in § 1 Abs.1 genannten Orten (Gaststätten u. ä.) mit Gewinnmöglichkeit |
50,– DM (keine Änderung), |
ohne Gewinnmöglichkeit |
25,– DM (keine Änderung), …”. |
Gegen die erhöhte Festsetzung legte die Klägerin Einspruch ein und führte zur Begründung an, die landesgesetzliche Neuregelung der Steuersätze auf das Doppelte des bisherigen Steuersatzes für in Spielhallen aufgestellte Automaten sei verfassungswidrig. Sie sei mit Artikel 3 und 12 Grundgesetz – GG – unvereinbar, weil der Gesetzgeber damit eine unverhältnismäßige Differenzierung der Besteuerung zwischen in Spielhallen aufgestellten Automaten und an anderen Orten, insbesondere in Gaststätten, aufgestellten Geräten eingeführt habe. Auf die weiteren Ausführungen der Klägerin wird Bezug genommen.
Mit Einspruchsentscheidung vom … Januar 2001 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Er habe die Vergnügungsteuer gesetzeskonform auf der Grundlage der ab 1. Juli 2000 neu geltenden Steuersätze festgesetzt.
Die Klägerin hat fristgerecht vor dem ursprünglich zuständigen Finanzgericht Berlin Klage erhoben; das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 8 K 8052/01 erfasst. Im I. Rechtszug wiederholte und vertiefte die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen.
Mit Urteil vom 1. November 2004 wies der 8. Senat des Finanzgerichts Berlin die Klage ab; er hielt das Berliner Gesetz über eine Vergnügungsteuer für Spielautomaten vom 28. Oktober 1988 in der ab 1. Juli 2000 geltenden Fassung hinsichtlich der erhöhten Steuersätze für in Sp...