Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Anerkennung einer atypisch stillen Gesellschaft mit der Ehefrau des Mehrheitsgesellschafters. vGA wegen Nichtgeltendmachung der Einlagenforderung gegenüber atypisch stillem Gesellschafter
Leitsatz (redaktionell)
1. Die steuerliche Anerkennung von stillen Gesellschaften mit nahen Angehörigen von Mehrheitsgesellschaftern erfordert keinen Fremdvergleich, wenn die Aufnahme des stillen Gesellschafters in eine GmbH nicht von der Geschäftsführerbefugnis des zu 60 % beteiligten Ehemanns der stillen Gesellschafterin umfasst wird, sondern der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf und eine Einschränkung der Entscheidungsfreiheit der übrigen Gesellschafter nicht zu erkennen ist.
2. Handelt es sich danach um eine unter fremden Dritten vereinbarte atypisch stille Gesellschaft, ist deren steuerrechtliche Anerkennung nicht deshalb zu versagen, weil die GmbH die Einlage der stillen Gesellschafterin nicht einfordert, sondern aufgrund der guten Liquiditätslage der GmbH eine Aufrechnung mit den zugewiesenen Gewinnanteilen erfolgt.
3. Die Gründung einer GmbH & Still ist nicht rechtsmissbräuchlich i. S. d. § 42 AO, weil vom stillen Gesellschafter lediglich eine Einlage in geringer Höhe gefordert wird.
4. Der Verzicht auf die Geltendmachung der Einlage der atypischstillen Gesellschafterin führt nicht zu einer vGA an deren Ehemann als Hauptgesellschafter, wenn der GmbH durch die 4 %-ige Verzinsung der ausstehenden Einlage kein Gewinn entgeht.
Normenkette
EStG 2002 § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; GewStG 2002 § 9 Nr. 2; KStG 2002 § 8 Abs. 3 S. 2; AO §§ 42, 41; HGB §§ 233, 164, 118; BGB §§ 716, 246
Tenor
1. Es werden folgende Bescheide aufgehoben:
- • Die negativen Feststellungsbescheide für die B. GmbH & atypisch Still für 1998 bis 2000 vom X. November 2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidungen vom X. August 2007, die negativen Feststellungsbescheide für die B. GmbH & atypisch Still für 2001 bis 2003 vom X. Juli 2007 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom X. November 2007 sowie
- • die Bescheide über die Aufhebung der Gewerbesteuermessbescheide für die B. GmbH & atypisch Still (Steuer-Nr. 1…) für 2001 bis 2003 vom 9. Juli 2007 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 27. November 2007.
2. Die Gewerbesteuermessbescheide der Klägerin (Steuer-Nr. 2…) für 1998 bis 2000 vom X. Dezember 2003 und in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom X. Juli 2007 sowie für 2001 bis 2003 vom X. Juli 2007 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom X. November 2007 werden dahingehend geändert, dass der Gewerbeertrag um die Anteile der Klägerin am Gewinn der B. GmbH & atypisch Still gekürzt wird.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Anerkennung einer atypisch stillen Gesellschaft mit der Ehefrau des Mehrheitsgesellschafters der Klägerin.
Die Klägerin wurde mit notariellem Vertrag vom X.X.1997 mit einem Stammkapital von 100.000 DM gegründet. Gegenstand des Unternehmens sind der Vertrieb elektromedizinischer Geräte sowie der damit im Zusammenhang stehende Service. Gründungsgesellschafter waren Herr A. mit einem Anteil von 59 %, Herr C. mit einem Anteil von 40 % und Herr B. mit einem Anteil von 1 %. Mit Vertrag vom X.X.1998 erwarb der Gesellschafter A. den Anteil des Gesellschafters B. und hielt im Ergebnis 60 % der Anteile. Geschäftsführer der Klägerin war in den Streitjahren Herr A.. Nach § 5 Abs. 4 des GmbHVertrags erstreckt sich die Geschäftsführungsbefugnis des Geschäftsführers nur auf den Gesellschaftszweck und nur auf Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsverkehr mit sich bringt. Die Vornahme von Geschäften, die außerhalb des Gesellschaftszwecks liegen, unüblich oder mit besonderen Risiken verbunden sind, bedarf der vorherigen Zustimmung durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafter. Wegen der weiteren Einzelheiten verweist der Senat auf den GmbH-Vertrag.
Nachdem die Gesellschafterversammlung der Klägerin der Gründung einer atypischen Gesellschaft mit der Beigeladenen mit einstimmigem Beschluss vom X.X.1998 zugestimmt hatte, schlossen die Klägerin und die Beigeladene, die Ehefrau des Gesellschafter-Geschäftsführers A., am X.X.1998 einen Vertrag über die Errichtung einer atypisch stillen Gesellschaft (der Vertrag wird im Folgenden als Gesellschaftsvertrag bezeichnet, die atypisch stille Gesellschaft als GmbH & Still).
Nach § 3 des Gesellschaftsvertrags war die stille Gesellschafterin verpflichtet, als Einlage 5.000,– DM zu leisten. Die Vermögenseinlage sollte auf einfache Anforderung der Klägerin in bar erbracht werden. Für die stille Gesellschafterin sollte ein unveränderliches und unverzinsliches Einlagenkonto (Kapitalkonto I) geführt werden, auf dem das „Geschäftskapital” gebucht werden sollte. Außerdem war vorgesehen, ein variables Konto (Kapitalkonto II), auf dem Gewinn- und Kapitalrücklagen gebucht werden sollten, und ein Verlustvortragskonto (...