Entscheidungsstichwort (Thema)
Mittelpunkt der Lebensinteressen beiderseits berufstätiger Ehegatten. Beweislast. erneute Begründung einer doppelten Haushaltsführung an demselben Beschäftigungsort
Leitsatz (redaktionell)
1. Allein der Umstand, dass beiderseits berufstätige Ehegatten während der Woche (und damit den weitaus überwiegenden Teil des Jahres) am Beschäftigungsort zusammenleben, rechtfertigt es noch nicht, dort den Lebensmittelpunkt des Steuerpflichtigen und seiner (Haupt-)Bezugsperson zu verorten. Vielmehr sind auch in einem solchen Fall zum Auffinden des Mittelpunkts der Lebensinteressen die Gesamtumstände des Einzelfalls in den Blick zu nehmen.
2. Kann sich das Gericht bei einer Gesamtwürdigung der Umstände des Streitfalls sowie der vorgelegten Beweismittel nicht davon überzeugen, dass sich der Lebensmittelpunkt außerhalb des Beschäftigungsortes befunden hat, geht dies zu Lasten des Steuerpflichtigen.
3. Nach Beendigung einer doppelten Haushaltsführung kann der Steuerpflichtige unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 2 EStG a. F. erneut eine doppelte Haushaltsführung aus beruflichem Anlass, gegebenenfalls auch am früheren Beschäftigungsort und sogar in derselben Wohnung, in der er bereits früher einen Zweithaushalt errichtet hatte, begründen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5
Tenor
Der Ablehnungsbescheid vom 23.09.2013 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 28.03.2014 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 20.06.2013 zu ändern und die Einkommensteuer 2011 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit beider Ehegatten, nämlich einer Familienheimfahrt wöchentlich (insgesamt 724,00 EUR je Ehegatte), der Unterkunftskosten am Beschäftigungsort (insgesamt 2.703,00 EUR je Ehegatte) und Verpflegungsmehraufwendungen für die ersten drei Monate (insgesamt 576,00 EUR je Ehegatte) sowie ohne Ansatz eines Fahrtkostenersatzes (102,00 EUR) geändert festzusetzen.
Der Ablehnungsbescheid vom 28.03.2014 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 15.05.2014 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 20.06.2013 zu ändern und die Einkommensteuer 2012 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit beider Ehegatten, nämlich einer Familienheimfahrt wöchentlich (insgesamt 1.567,80 EUR je Ehegatte) und der Unterkunftskosten am Beschäftigungsort (insgesamt 3.670,00 EUR je Ehegatte) festzusetzen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung von Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung bei der Einkommensteuer 2011 und 2012.
Die Kläger sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Sie arbeiten beide als Sonderschullehrer in C…. Sie nutzen seit dem 30.12.2002 (vgl. Anlage N zur Einkommensteuererklärung 2011) ein Einfamilienhaus in der D.-straße in E. (Bezirk des Finanzamts – FA F.) zu Wohnzwecken. Daneben nutzten sie zunächst von 2008 bis Ende 2010 eine Wohnung in C… in der G…-straße (vgl. Abmeldebestätigung vom 19.01.2011, Bl. 53f. der Gerichtsakte – GA – und Bestätigung des Vermieters über die Kündigung zum 31.12.2010, Bl. 55 GA). Seit 01.04.2011 sind sie Mieter einer anderen Wohnung in C… (H…-straße, im Bezirk des Beklagten, vgl. Mietvertrag in der Einkommensteuerakte).
Am 25.03.2013 übermittelten die Kläger dem FA F. elektronisch ihre Einkommensteuererklärung für 2011 und reichten dort am selben Tag zugehörige Steuerbescheinigungen und Belege ein. In der Anlage N des Klägers für 2011 sind als Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung folgende Positionen eingetragen:
Erste Fahrt zum Beschäftigungsort (141 km * 0,30 EUR) |
43,00 EUR |
Fahrtkosten für Heimfahrten (134 km * 0,30 EUR * 36 Fahrten) |
1.448,00 EUR |
Kosten Unterkunft am Arbeitsort |
4.145,00 EUR |
Verpflegungsmehraufw. (12,00 EUR * 32 und 24,00 EUR * 8) |
576,00 EUR |
Bett |
56,00 EUR |
Summe |
6.268,00 EUR |
An Fahrtkosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte machten die Kläger 2011 jeweils Fahrten zwischen der Wohnung in E… und den Arbeitsstätten in C. an 80 Tagen und Fahrten von der C. Wohnung zu den C. Arbeitsstätten an 121 Tagen (Ehemann) bzw. 124 Tagen (Ehefrau) geltend.
In der Anlage N der Klägerin für 2011 sind als Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung eingetragen:
Erste Fahrt zum Beschäftigungsort (137 km * 0,30 EUR) |
42,00 EUR |
Fahrtkosten für Heimfahrten (134 km * 0,30 EUR * 36 Fahrten) |
1.448,00 EUR |
Kosten Unterkunft am Arbeitsort |
4.145,00 EUR |
Verpflegungsmehraufw. (12,00 EUR * 32 und 24,00 EUR * 8) |
576,00 EUR |
Bett |
56,00 EUR |
Summe |
6.267,00 EUR |
Auf einer separaten Anlage „Erläuterungen zu Werbungskost...