Entscheidungsstichwort (Thema)
Befugnis zur Schätzung der Berliner Vergnügungsteuer wegen manipulierter Zählwerkausdrucke von Geldspielautomaten. Aufbewahrungspflicht von Statistikstreifen von Geldspielautomaten
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat die Auslesung von 69 Geldspielautomaten eines Automatenaufstellers durch das FA ergeben, dass sich die Einspielergebnisse dieser Geräte in einem Monat auf rd. 230.000 Euro belaufen haben, hat der Automatenaufsteller hingegen unter Vorlage der Zählwerkausdrucke für diesen Monat ein Einspielergebnis von insgesamt 84 Geldspielautomaten in Höhe von lediglich 85.605 Euro erklärt, weichen die Ausleseergebnisse auch in neun weiteren Monaten von den Zählwerkausdrucken ab und sind keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Auslesung seitens des FA ersichtlich, so ist von einer Manipulation der Zählwerkausdrucke durch den Automatenaufsteller und einer Befugnis des FA zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen für die Vergnügungsteuer auszugehen. Das gilt bei einem streitigen Zeitraum von 27 Monaten auch für die 17 Monate, in denen vom FA keine Kontrollen vorgenommen worden sind (Ausführungen zur Höhe der Schätzung).
2. Es spricht u. a. für eine Manipulation des Automatenaufstellers, wenn er den Abgleich der Auslegebelege für neun Automaten dadurch verhindert hat, dass er die Speicherinhalte durch zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Auslesungen gelöscht hat, während die Finanzbeamten auf die Öffnung der Geldspielautomaten zur Auslesung warteten, und wenn bereits bei früheren Auslesungen Unregelmäßigkeiten festgestellt worden sind.
3. Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts v. 12.2.2014 (1 BvL 11/10, 1 BvL 14/10, DStR 2014 S. 10) folgt nicht, dass es den Finanzbehörden, Strafermittlungsbehörden und Gerichten untersagt wäre, die Richtigkeit der Besteuerungsgrundlagen zu prüfen, die der Steuerpflichtigen auf der Basis seiner Zählwerkausdrucke mitgeteilt hat.
4. Wenn die vom Kläger eingesetzten Geldspielautomaten nur eine Speicherung der Daten von zwei Monaten ermöglichen, sodass sich die Steueranmeldungen anschließend nicht mehr überprüfen lassen, so geht die fehlende Überprüfbarkeit der Daten zu Lasten des Klägers. Die Einspielergebnisse sind Aufzeichnungen zur Gewinnermittlung i. S. d. §§ 146f. AO, die grundsätzlich zehn Jahre aufzubewahren sind. Auch wenn die Automaten von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt für den gewerblichen Gebrauch zertifiziert sind, verstößt die Löschung der Einspielergebnisse gegen die §§ 146 ff. AO.
5. Die Statistikstreifen von Geldspielautomaten gehören zu den sonstigen aufbewahrungspflichtigen Unterlagen i. S. d. § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO.
Normenkette
VgStG § 1 Abs. 1, §§ 9, 5 Abs. 1, 5; AO §§ 158, 162 Abs. 1-2, § 147 Abs. 1 Nr. 5, § 146
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger ist als Automatenaufsteller gewerblich tätig. Bei den von ihm an verschiedenen Standorten in Berlin (B…-straße, D…-straße, E…-straße, F…-straße, G…-straße, H…- straße) betriebenen rund 80 Automaten handelt es sich um solche mit Gewinnmöglichkeiten gem. § 1 Nr. 1 des Berliner Vergnügungsteuergesetzes –VgStG–, auf die eine Steuer in Höhe von 20 % des Einspielergebnisses erhoben wird. Das Einspielergebnis ist der im Zählerwerkausdruck aufgeführte Saldo 2 (Erlös), der im internen Speicher der Spielautomaten gespeichert und revolvierend nach zweimaligem Auslesen gelöscht wird.
Der Kläger reichte die Vergnügungsteueranmeldungen für den Streitzeitraum August 2012 bis einschließlich Oktober 2014 jeweils im Folgemonat beim Beklagten ein. Er erklärte folgende Einspielergebnisse:
Der Kläger bewahrte die Statistikstreifen seiner Geldspielgeräte nicht auf.
Der Beklagte führte am 27. September 2012, 25. April 2013, 18. Juni 2013 und 19. März 2014 insgesamt vier Vergnügungsteuer-Nachschauen gem. § 9 VgStG durch. Er stellte dabei fest, dass bei 11 von 26 ausgelesenen Geldspielautomaten erhebliche Differenzen zwischen den vom Kläger erklärten und vom Beklagten ausgelesenen Erlösen bestanden hätten: Die erklärten Erlöse beliefen sich auf Beträge zwischen 20 und 40 % der ausgelesenen Werte. Ein Abgleich der Auslegebelege für neun Automaten in der G…-straße sei daran gescheitert, dass der Kläger die Speicherinhalte durch zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Auslesungen gelöscht habe, während die Beamten auf die Öffnung der Geldspielautomaten zur Auslesung gewartet hätten. Bei 12 Geldspielautomaten anderer Standorte seien zwar nur für zwei Automaten Abweichungen festgestellt worden; insofern habe der Kläger lediglich 30 % der tatsächlichen Erlöse erklärt. Auffällig sei jedoch, dass die vom Kläger am Tag der Nachschau erstellten und eingereichten Auslesebelege deutlich von den Vor- und den Folgemonaten abwichen. Während er für diese durchschnittliche Bespielungen von 26,48 % angegeben habe, sei die Bespielung der Automaten für den Monat der Nachschau auf 45,11 % bis 63...