rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Steuern
Leitsatz (redaktionell)
Ansprüche auf Vorsteuer, die auf vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bezogenen Leistungen beruhen, sind auch dann vor Verfahrenseröffnung begründet, wenn der Insolvenzverwalter, nachdem das Finanzamt Vorsteuerbeträge des insolventen Schuldners wegen Uneinbringlichkeit der zugrunde liegenden Forderungen der leistenden Unternehmer nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 UStG berichtigt hatte, nach Bezahlung von vorsteuerbelasteten Forderungen im Zuge der Schlussverteilung den Berichtigungsanspruch des Finanzamts durch die sog. zweite Vorsteuerkorrektur nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG teilweise rückgängig gemacht hat.
Normenkette
UStG § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1; InsO § 95 Abs. 1, § 96 Abs. 1 Nr. 1; AO § 37 Abs. 2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wurde mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der X-GmbH & Co (nunmehr firmierend als Abwicklungsgesellschaft X-GmbH & Co. KG) am 01.05.2000 zum Insolvenzverwalter bestellt.
Der Beklagte meldete unter Hinweis auf eine nachrichtliche Mitteilung vom 27.07.2000 eine Umsatzsteuerforderung für den Vorauszahlungszeitraum April 2000 in Höhe von 151.090,– DM zur Insolvenztabelle an, wobei dieser Forderungsbetrag in Höhe von 55.960,68 DM (= 28.612,24 EUR) auf Vorsteuerbeträge entfiel, die der Beklagte wegen Uneinbringlichkeit der zugrunde liegenden Forderungen der leistenden Unternehmer nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz – UStG – berichtigt hatte. Ein Widerspruch gegen diese Anmeldung ist aus den Akten nicht ersichtlich, so dass das Gericht davon ausgeht, dass die Anmeldung zur Tabelle festgestellt wurde.
Am 18. Mai 2005 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass nach dem Ergebnis des Schlusstermins eine Quote von 23,3 vom Hundert erzielt werde, so dass die vor Insolvenzeröffnung begründeten Vorsteueransprüche im Wege der sogenannten zweiten Vorsteuerkorrektur erneut zu berichtigen seien. Dadurch erhöhe sich die Quote weiter auf 23,68 vom Hundert, so dass eine Umsatzsteuervergütung in Höhe von 6.774,76 EUR entstanden sei.
Am 23.06.2005 setzte der Beklagte die Umsatzsteuervorauszahlung für das II. Quartal 2005 gegenüber dem Kläger (also für das sogenannte Massekostenkonto) auf ./. 6.666,48 EUR fest, was 23,3 vom Hundert des Betrages von 28.612,24 EUR entspricht. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Gegen den daraus folgenden Erstattungsanspruch rechnete der Beklagte mit seiner Umsatzsteuerforderung aus Januar 2000 mit Aufrechnungserklärung vom 27.06.2005 in voller Höhe auf. Nachdem der Kläger gegen diese Aufrechnung Widerspruch erhoben hatte, erließ der Beklagte am 09.08.2005 einen Abrechnungsbescheid, nach dem der Erstattungsanspruch des Klägers durch Aufrechnung mit der Umsatzsteuerforderung des Beklagten aus Januar 2000 erloschen sei. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 15.08.2005 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom Donnerstag, dem 18.08.2005 zurückwies. Daraufhin hat der Kläger am 22.09.2005 Klage erhoben.
Der Kläger macht geltend, sein Berichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG sei im insolvenzrechtlichem Sinne noch nicht vor Verfahrenseröffnung begründet worden. Denn dieser Anspruch auf die sogenannte zweite Berichtigung beruhe auf der nachträglichen Verausgabung von Entgelten an die leistenden Unternehmer. Damit seien anspruchsbegründende Tatsachen erst nach Insolvenzeröffnung realisiert worden. Diese seien dem Kläger auch nicht ohne eigenes Zutun gewissermaßen in den Schoß gefallen. Vielmehr hätten sie intensive Bemühungen des Klägers zur Realisierung von Ansprüchen der Insolvenzmasse vorausgesetzt. Ferner sei der Anspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ein eigener Steuertatbestand gegenüber dem ursprünglichen Vorsteueranspruch nach § 15 UStG.
Der Kläger beantragt,
abweichend vom Abrechnungsbescheid zur Umsatzsteuer II/2005 vom 09.08.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.08.2005 ein Guthaben in Höhe von 6.666,48 EUR festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass der Berichtigungsanspruch des Klägers insolvenzrechtlich bereits vor Insolvenzeröffnung begründet worden sei. Denn der eigentliche Rechtsgrund bestehe in den Lieferungen und sonstigen Leistungen, die die Schuldnerin vor Insolvenzeröffnung bezogen habe. Nach Insolvenzeröffnung erfolgte Zahlungen stellten keinen neuen Rechtsgrund dar.
Dem Gericht haben eine Umsatzsteuer-Voranmeldungsakte für die Schuldnerin zur Steuernummer … sowie je ein Band Umsatzsteuer-Voranmeldungs-, Umsatzsteuer- und Vollstreckungsakten für das sogenannte Massekostenkonto zur Steuernummer … vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Entsprechend dem Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO – ohne mündliche...