rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anschaffungskosten des Grundstücks durch Übernahme dinglicher Belastungen. Nutzung durch Verwandte in gerader Linie ist keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i. S. v. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Anders als im Fall der Übernahme schuldrechtlich begründeter Verpflichtungen beinhaltet der Übergang dinglicher Belastungen (dazu gehören auch dingliche Nutzungsrechte) keine Gegenleistung des Erwerbers an den Veräußerer, mit der Konsequenz, dass insoweit keine Anschaffungskosten des Grundstücks gegeben sind.
2. Mit dem Grundstückserwerb ohne Übernahme der abgesicherten Darlehen übernommene Grundschulden stehen der Annahme eines unentgeltlichen Erwerbs nicht entgegen.
3. Eine Nutzung zu „eigenen Wohnzwecken” im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG liegt nicht vor, wenn der Eigentümer seine Nutzungsbefugnis von einem anderen ableitet, wie dies etwa im Fall eines Vorbehaltsnießbrauchs mit Überlassung der Wohnung an den Eigentümer wäre.
4. Die unentgeltliche Nutzung des Grundstücks durch Verwandte gerader Linie reicht für die Anwendung des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG nicht aus.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2007 (Streitjahr) die Erfassung eines Gewinns aus der privaten Veräußerung eines Grundstücks nach § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) strittig.
Die 1979 geborene ledige Klägerin wurde vom Finanzamt B… (fortan FA) im Streitjahr einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und bezog außerdem Arbeitslosengeld.
Aufgrund notariellen Übertragungsvertrages vom 27.10.2004 – auf den das Gericht wegen der weiteren Einzelheiten Bezug nimmt (Hülle ESt-Akte) – erwarb die Klägerin von ihrer Mutter (die Zeugin C…) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Übernahme der in Abteilung III des Grundbuchs zugunsten der D… AG sowie der E… Bank eingetragenen brieflosen Grundschulden in Höhe von (insgesamt) 450.000 DM einen Vierseitenhof in F… (Brandenburg), G…-straße (Streitgrundstück) mit einer Größe von zirka 81.660 m². Nicht „übernommen” von der Klägerin wurden die den Grundschulden zugrunde liegenden Darlehen, die auch nach der Grundstücksübertragung weiterhin von der Mutter der Klägerin bedient wurden. Nach den Angaben der Zeugin C… im Termin beruhen die betreffenden Darlehen zur Hälfte auf Betriebsmittelkrediten einer von der Zeugin seinerzeit betriebenen Buchbinder-GmbH bei der E… Bank. Zur anderen Hälfte handelte es sich um Kreditaufnahmen der Zeugin, mit denen diese die Anschaffung und den Ausbau der Bauten auf dem Streitgrundstück finanzierte.
Auf dem von der Klägerin erworbenen Streitgrundstück befanden sich (u.a.) ein Haupthaus (120 m²) sowie ein Nebengebäude (ca. 60 m²), das ehemals als Stallung diente (Skizze Erdgeschoss/Haupthaus, vgl. Einheitswertakte [EW-Akte] zur Steuernummer …, Fach 2001). Zugleich mit der Übertragung des Grundstücks bestellte die Klägerin ihrer Mutter und deren Lebensgefährten als Gesamtberechtigte im Sinne des § 428 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (lebenslanges Wohnrecht nach § 1093 BGB), die im Grundbuch eingetragen wurde. Die Ausübung des Wohnrechts durfte nach IV. des notariellen Übertragungsvertrages nicht durch Dritte ausgeübt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat auf den diesbezüglichen notariellen Vertrag ergänzend Bezug (vgl. Bl. 59 f ≪61≫ ESt-Akte).
Das Streitgrundstück hatte die Mutter der Klägerin im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens am 08.12.1998 zu einem Barmeistgebot von 285.000 DM ersteigert. Seinerzeit war das Grundstück mit einem Wohnhaus, mehreren Stallgebäuden, einer Scheune, einer Futterküche, einer Garage und einem Schuppen bebaut (siehe Beschluss des Amtsgerichts B… vom 10.09.1998, Bl. 131 f ESt-Akte).
Nach dem Grundstückserwerb setzte die Mutter der Klägerin das Haupt- und Nebengebäude instand und baute das Nebengebäude 2002/2003 zu Wohnraum (Wohnküche, Bad und Schlafzimmer) aus. Die Instandsetzungs- und Ausbaukosten betrugen (zwischen den Beteiligten unstrittig) etwa 70.000 EUR. Das Hauptgebäude (120 m²) nutzte die Mutter der Klägerin zusammen mit ihrem Lebensgefährten (heutiger Ehegatte) vom Zeitpunkt des Grundstückserwerbs im Jahre 1998 bis zur Veräußerung im Jahre 2007 zu eigenen Wohnzwecken. Das Nebengebäude wurde ab dessen Fertigstellung in den Jahren 2002/2003 bis zur Veräußerung (was zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig ist) von der Klägerin hauptsächlich an den Wochenenden zu privaten Wohnzwecken genutzt. Unter der Woche wohnte die Klägerin wegen einer Ausbildung andernorts. Bis zur Fertigstellung des Nebengebäudes...