rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsinanspruchnahme eines GmbH-Geschäftsführers wegen unrichtiger Vorsteueranmeldungen
Leitsatz (redaktionell)
Einem GmbH-Geschäftsführer ist keine gem. § 69 i. V. m. § 34 AO haftungsbegründende Pflichtverletzung bei der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung vorzuwerfen, wenn die zur Berichtigung der angemeldeten Vorsteuern führende Zahlungsunfähigkeit der GmbH erst nach Ablauf des maßgeblichen Voranmeldungszeitraumes eingetreten ist. Dies fiel aber wegen der zwischenzeitlichen Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nicht mehr in die Verantwortlichkeit des Klägers.
Normenkette
AO §§ 69, 34; UStG 1999 § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Sätze 2-3, § 18 Abs. 3
Tenor
Der Haftungsbescheid vom 04. Oktober 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Januar 2006 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Beschluss:
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Der Kläger wehrt sich gegen die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner.
Der Kläger war Geschäftsführer der A-GmbH (im folgenden: GmbH), die die Zeitschrift „…” herausgab. Er reichte für die GmbH Umsatzsteuervoranmeldungen für den Zeitraum Februar bis April 2004 ein, die bei dem Beklagten am 14. Mai 2004 eingingen. Daraus ergaben sich erhebliche Erstattungsbeträge.
Die GmbH hatte vom Verlag B ein Darlehen in Höhe von rund EUR 360 000 erhalten; der Verlag hatte außerdem eine Option auf eine Beteiligung an der GmbH. Spätestens am 18. Mai 2004 stellte sich jedoch heraus, dass eine weitere Zusammenarbeit der GmbH mit dem Verlag B nicht mehr stattfinden würde. Diese Entwicklung war dem Kläger als Möglichkeit bereits am 13. oder 14. Mai 2004 avisiert worden.
Am 19. Mai 2004 ging bei dem Amtsgericht C ein vom 17. Mai 2004 datierter Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens der GmbH ein. Am 15. Juni 2004 wurde Herr Rechtsanwalt D zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Nach dessen Gutachten vom 02. August 2004 war die GmbH zahlungsunfähig und überschuldet, da Verbindlichkeiten in Höhe von EUR 603 000 Aktiva in Höhe von knapp EUR 64 000 gegenüberstanden. Das Insolvenzverfahren wurde eröffnet.
Der Beklagte zahlte an die GmbH am 09. Juni 2004 EUR 17 462,32 und am 14. Juni 2004 EUR 20 583,23 aus.
Nach den Feststellungen des Beklagten im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Zeitraum Oktober bis Dezember 2004 hatte die GmbH zum 31. Dezember 2003 Verbindlichkeiten in Höhe von EUR 214 434, Forderungen in Höhe von EUR 26 652 und liquide Mittel in Höhe von EUR 22 720, zum 29. Februar 2004 Verbindlichkeiten in Höhe von EUR 284 291, Forderungen in Höhe von EUR 41 603 und liquide Mittel in Höhe von EUR 29 363, zum 31. März 2004 Verbindlichkeiten in Höhe von EUR 408 380, Forderungen in Höhe von EUR 35 329 und liquide Mittel in Höhe von EUR 31 903, und zum 30. April 2004 Verbindlichkeiten in Höhe von EUR 400 386, Forderungen in Höhe von EUR 47 250 und liquide Mittel in Höhe von EUR 24 658.
Der Beklagte nahm den Kläger mit dem hier angefochtenen Haftungsbescheid für Umsatzsteuer in Höhe von EUR 33 304,23 in Anspruch, weil dem Kläger bei Einreichung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für Februar bis April 2004 bekannt gewesen sei, dass die GmbH zahlungsunfähig gewesen sei, so dass er pflichtwidrig gehandelt habe, indem er die ausgewiesenen Vorsteuerbeträge nicht gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) berichtigt bzw. diese überhaupt geltend gemacht habe.
Der Kläger trägt vor, dass er zum Ende des Voranmeldungszeitraums April 2004 nicht habe absehen können, dass die GmbH insolvent sei. Ende April habe die GmbH noch über Forderungen und liquide Mittel in Höhe von EUR 71 908 verfügt. Im Mai 2004 hätten noch bestätigte Angebote zu Veröffentlichungen für die Septemberausgabe 2004 mit einem Umsatzvolumen von EUR 165 567 vorgelegen, so dass ein weiteres Erscheinen jedenfalls vorstellbar gewesen sei. Bis zum 18. Mai 2004 habe er darauf vertrauen dürfen, dass die GmbH die zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten erforderlichen Mittel durch die Zusammenarbeit mit dem Verlag B erhalten werde. Die Berichtigungsvoraussetzungen seien somit allenfalls im Mai 2004 eingetreten. Da die GmbH aufgrund einer Dauerfristverlängerung die entsprechende Umsatzsteuervoranmeldung aber erst am 10. Juli 2004 einzurechen gehabt habe, falle dies nicht mehr in seinen, des Klägers, Verantwortugngsbereich, da bereits zum 15. Juni 2004 der vorläufige Insolvenzverwalter bestellt gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom 04. Oktober 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Januar 2006 aufzuheben,
sowie,
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Be...