Entscheidungsstichwort (Thema)

Abnahme von Jagdprüfungen als Zweckbetrieb

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Vorliegen eines Zweckbetriebs setzt voraus, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zur Verwirklichung der steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke „dient”, verlangt aber keine „unmittelbare” Erfüllung der gemeinnützigen satzungsmäßigen Zwecke durch den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.

2. Die Durchführung und Abnahme von Jagdprüfungen durch einen gemeinnützigen Verein, dessen satzungsmäßiger Zweck die „Pflege und Sicherung der Lebensräume der Gesamtheit der wildlebenden Arten und die Hege und Erhaltung artenreicher Wildbestände” ist, ist Zweckbetrieb, weil zur Erreichung dieses satzungsmäßigen Zwecks Jäger notwendig sind und es ohne die Organisation und Abnahme der Jagdprüfung binnen absehbarer Zeit keine Jäger mehr gäbe.

3. Ein Zweckbetrieb kann auch vorliegen, wenn einem gemeinnützigen Verein eine hoheitliche Aufgabe im Wege der Beleihung übertragen wurde.

 

Normenkette

AO § 64 Abs. 1-2, § 65 Nrn. 1-2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.04.2022; Aktenzeichen V R 26/20)

 

Tenor

Die Bescheide über Körperschaftsteuer 2008 und Gewerbesteuermessbetrag 2008 und 2009 vom 13.03.2014, teilweise geändert mit Bescheid vom 02.04.2014 und sämtlich in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.09.2015, werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 37 % und der Beklagte 63 %.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gemeinnützigkeit im Zusammenhang mit der Abnahme von Jägerprüfungen.

I.1.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Nach § 2 Abs. 1 seiner Satzung vom 21.05.2005 fördert er:

  • • den Naturschutz und die Landschaftspflege im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes und des Landesnaturschutzgesetzes, des Bundesjagdgesetzes und des Landesjagdgesetzes durch die Pflege und Sicherung der Lebensräume der Gesamtheit der wildlebenden Arten und die Hege und Erhaltung artenreicher Wildbestände unter Wahrung der Landeskultur,
  • • den Tierschutz,
  • • die Aus- und Weiterbildung,
  • • Maßnahmen zur Unfallverhütung und
  • • die Wahrung des Brauchtums.

Die Zwecke sollen nach § 2 Abs. 2 der Satzung erreicht werden durch:

  • • die Hege, Sicherung und Verbesserung der natürlichen Lebensgrundlagen der heimischen Tier- und Pflanzenwelt,
  • • die Darstellung und Realisierung von Zielen des Naturschutzes, der Landschaftspflege und des Tierschutzes, deren Förderung und Verbreitung in der Öffentlichkeit,
  • • die Pflege und Förderung humanistischer Traditionen des Brauchtums,
  • • die aktive Unterstützung bei der Bekämpfung von Tierseuchen,
  • • die Ausbildung von Jagdgebrauchshunden im Sinne des Tierschutzes,
  • • die Förderung von Arbeitsschutz und Unfallverhütung bei den satzungsgemäßen Tätigkeiten der Mitglieder,
  • • die Förderung des Übungsschießens,
  • • die Aus- und Weiterbildung der Mitglieder, insbesondere auf den Gebieten des Naturschutzes, der Hege, der Jagdpraxis, der Wildhygiene sowie des traditionellen Brauchtums.

Gegenstand der Tätigkeit des Klägers ist unter anderem das Abhalten verschiedener Kurse in der Jagdschule, der Verkauf von Büchern, die Vermittlung von Jägerschutzbriefen und die Werbung für bestimmte Fahrzeuge im Bereich der Jagd. Diese Tätigkeiten sind unstreitig als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb anzusehen und demzufolge nicht steuerlich begünstigt.

2.

Das Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz –MLUV– übertrug dem Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis zum 31.12.2013 die Organisation und Durchführung der Jägerprüfung im Wege der Beleihung. Für die Durchführung der Prüfungen erhob der Kläger Gebühren nach dem Gebührengesetz des Landes Brandenburg sowie der Gebührenordnung des MLUV. Für die Maßnahmen „Beleihung Jägerprüfung – Vorbereitung” und „Überarbeitung der Fragen für die schriftliche Jägerprüfung” wurden dem Kläger in den Jahren 2008 und 2009 Zuwendungen vom MLUV gewährt. Die Jagdprüfung besteht aus einer Schießprüfung, einem schriftlichen und einem mündlich-praktischen Teil. Dabei müssen ausreichende Kenntnisse der Wildarten, der Wildbiologie, der Wildhege, des Jagdbetriebes, der Wildschadensverhütung, des Land- und Waldbaus, des Jagd- und Waffenrechts sowie der Unfallverhütungsvorschriften, der Waffentechnik, der sicheren Führung von Jagdwaffen, der Führung von Jagdhunden, in der Behandlung des erlegten Wildes unter Berücksichtigung der hygienisch erforderlichen Maßnahmen, in der Beurteilung der gesundheitlich unbedenklichen Beschaffenheit des Wildbrets und im Jagd-, Tier-, Naturschutz und im Landschaftspflegerecht nachgewiesen werden.

Der Kläger ordnete die Gebühren einem Zweckbetrieb „Organisation und Durchführung der Jägerprüfung” zu.

II.1.

Mit gem. § 1...

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