rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankheitskosten, die ein krankenversicherter Steuerpflichtiger selbst trägt, um eine Beitragsrückerstattung zu erlangen, weder als Sonderausgaben noch als außergewöhnliche Belastungen abziehbar
Leitsatz (redaktionell)
1. Nur solche Ausgaben sind als Beiträge zu Krankenversicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG anzusehen, die zumindest im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen und damit – als Vorsorgeaufwendungen – letztlich der Vorsorge dienen. Daher kann ein (privat) krankenversicherter Steuerpflichtiger Krankheitskosten, die er selbst trägt, um im darauf folgenden Kalenderjahr Beitragsrückerstattungen zu erhalten, nicht als Sonderausgaben abziehen.
2. Ein Abzug als außergewöhnliche Belastung scheidet auch dann aus, wenn der Steuerpflichtige aus nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründen auf ihm zustehende Ersatzansprüche verzichtet, etwa wenn ein privat Krankenversicherter Krankheitskosten nicht bei der Versicherung einreicht, um eine Beitragsrückerstattung des Krankenversicherers zu erhalten.
Normenkette
EStG 2010 § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Buchst. a, § 33 Abs. 1-2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die korrekte steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für Krankheitskosten.
Der Kläger wird für das Jahr 2010 (Streitjahr) allein zur Einkommensteuer veranlagt. In seiner für das Streitjahr eingereichten Steuererklärung machte der Kläger Beiträge zu einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 7.642 EUR geltend und gab steuerfreie Arbeitgeberzuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung mit 3.350 EUR an. Der Beklagte erkannte zunächst Beiträge in Höhe von (durch Mitteilung des Versicherers nachgewiesenen) 7.639 ./. 3.350 = 4.289 EUR an und veranlagte den Kläger auf dieser Grundlage mit Bescheid vom 12. April 2011 zur Einkommensteuer des Streitjahres. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Im darauffolgenden Jahr meldete die Versicherungsgesellschaft dem Beklagten, dass der Kläger im Streitjahr für die Basisabsicherung in der Krankenversicherung steuerlich berücksichtigungsfähige Beiträge in Höhe von 5.599,44 EUR und für die Pflegeversicherung steuerlich berücksichtigungsfähige Beiträge in Höhe von 400,56 EUR gezahlt habe. Zugleich habe der Versicherer dem Kläger im Streitjahr für das Jahr 2009 einen Betrag von 1.808,50 EUR erstattet. Der Beklagte erließ daraufhin am 4. Juli 2012 einen gemäß § 10 Abs. 2a Satz 8 Einkommensteuergesetz (EStG) geänderten Einkommensteuerbescheid, in welchem er die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung mit (5.600 + 400 ./. 1.808 ./. 3.350 =) 842 EUR berücksichtigte.
Der Kläger erhob hiergegen am 1. August 2012 Einspruch. Er übersandte dem Beklagten Rechnungen über Arzt- und Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 4.248,24 EUR, die er im Streitjahr bezahlt hatte. Hierzu erklärte der Kläger, die Kostentragung durch ihn sei eine Bedingung für die vom Versicherer gewährte Beitragsrückerstattung gewesen; die Aufwendungen seien deshalb im Streitjahr als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Der Beklagte erwiderte, er halte den Einspruch für unzulässig, da der angefochtene Änderungsbescheid lediglich eine punktuelle Änderung berücksichtigt habe; die außergewöhnlichen Belastungen seien nicht Gegenstand dieser Änderung gewesen und deshalb mit Ablauf der Einspruchsfrist gegen den ursprünglichen Bescheid vom 12. April 2011 in Bestandskraft erwachsen. Auch eine Änderung nach § 177 Abgabenordnung (AO) komme nicht in Betracht, da kein materieller Fehler vorliege. Der Kläger vertrat daraufhin die Ansicht, die Erstattung von Versicherungsbeiträgen für 2009 dürfe nicht zu einer Verrechnung mit den für 2010 gezahlten Beiträgen führen; die Verrechnung müsse in 2009 erfolgen. Die aus eigener Tasche getragenen Krankheitskosten seien nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO berücksichtigungsfähig. Er (der Kläger) habe ohne grobes Verschulden erst jetzt erfahren, dass er diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen ansetzen könne.
Der Beklagte folgte dieser Argumentation nicht. Er lehnte zunächst mit Bescheid vom 7. November 2012 den Änderungsantrag des Klägers nach § 173 AO ab, weil dem Kläger grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Tatsachen vorzuwerfen sei. Der Kläger reagierte hierauf nicht. Sodann wies der Beklagte den Einspruch des Klägers mit Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 2014 als unbegründet zurück. In der Begründung führte er aus, dass zwar außergewöhnliche Belastungen auch bei der hier erfolgten punktuellen Änderung des Einkommensteuerbescheids im Änderungsrahmen von § 177 AO zu berücksichtigen seien, ohne dass es auf die Voraussetzungen des § 173 AO ankomme. Im Streitfall lägen jedoch keine berücksichtigungsfähigen außergewöhnlichen Belastungen vor: Die Aufwendungen für Krankheitskosten seien dem Kläger nicht zwangsläufig erwach...