rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebiet des Polizeiabschnitts bzw. Polizeidienststelle als regelmäßige Arbeitsstätte eines Polizeibeamten im Einsatzdienst „Streifenpolizist”) trotz zeitlich überwiegender Außendiensttätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Gebiet einer Polizeiinspektion ist ein räumlich zusammenhängendes und kartografisch abgegrenztes Gebiet und somit eine regelmäßge Arbeitsstätte (i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG in der vor 2014 gültigen Fassung) für einen Streifenpolizisten, wenn dieser auf dem Gebiet dauerhaft und nachhaltig und außerdem – von seltenen überregionalen Einsätzen abgesehen – fast ausschließlich tätig ist und sich auf diesem Gebiet auch das mit einem Betriebssitz vergleichbare Dienstgebäude des Polizeiabschnitts befindet.
2. Selbst wenn das Gebiet der Polizeiabschnitts mit dem darin befindlichen Dienstgebäude keine weiträumige Arbeitsstätte wäre, so hätten Polizeibeamte im Einsatzdienst ihre regelmäßige Arbeitsstätte und den Mittelpunkt ihrer betrieblichen Tätigkeit auch dann in der Polizeiinspektion, wenn zwar ihr Außendienstanteil deutlich mehr als die Hälfte der Arbeitszeit ausmacht, sie im Innendienst jedoch qualitativ bdeutsame Tätigkeiten (z. B. Berichteschreiben nach den einzelnen Einsätzen beim Funkwageneinsatzdienst, die Vorgangsbearbeitung im Rahmen des disponierbaren Dienstes) ausüben und diese Tätigkeiten im Tätigkeitsprofil eines Streifenpolizisten konkretes Gewicht haben.
Normenkette
EStG 2012 § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Polizeiinspektion (in C. Polizeiabschnitt genannt) für die Klägerin als Polizeibeamtin im Einsatzdienst regelmäßige Arbeitsstätte ist, wegen der Auswirkungen auf die Höhe der steuerlich relevanten Fahrtkosten und des Verpflegungsmehraufwands im Streitjahr 2012.
I.
Die Klägerin, seinerzeit Polizeimeisterin, inzwischen Polizeiobermeisterin, war im gesamten Streitjahr als Polizeibeamtin im Einsatzdienst auf dem C. Polizeiabschnitt 22 tätig.
Sie fuhr regelmäßig zu Schichtbeginn mit ihrem Privatwagen von ihrer Wohnung zum Abschnitt. Dort zog sie jeweils die Dienstkleidung an, übernahm die Dienstwaffe und an Tagen mit Funkwageneinsatzdienst von der Vorschicht, zusammen mit dem jeweiligen Kollegen, das Dienstfahrzeug (Funkwagen).
Aus dem Anforderungsprofil (Basisprofil) des Polizeipräsidenten in C. (FG-A Bl. 61) ergibt sich als Bezeichnung des Aufgabengebiets „Sachbearbeiter/-in im Einsatzdienst einer Dienstgruppe auf einem Abschnitt”. Zu den Besonderheiten der Dienststruktur ist vermerkt: „Im Rahmen der flexiblen Dienstzeitregelung werden im Innen- und Außendienst Regeldienst, Pflichtdienste und disponierbare Dienste geleistet.” Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Anforderungsprofil Bezug genommen.
Die weit überwiegende Mehrzahl der Dienste der Klägerin sind entweder „Funkwageneinsatzdienste” (im Stundenachweis F) oder „disponierbare Dienste” (Kurzbezeichnung Dispo, im Stundennachweis D). In geringer Zahl kommen auch andere Dienste vor (wie „Brennpunktstreife” oder „Objektschutz”, beides reine Außendienste, oder „Unterstützung Wache”, ein reiner Innendienst, im Wesentlichen Anzeigenaufnahme in der Wache des Abschnitts).
Der Funkwageneinsatzdienst besteht im Wesentlichen darin, zum Einsatzort zu fahren, wenn ein Bürger über die Rufnummer 110 die Polizei alarmiert. Er erfordert ständige Rufbereitschaft. Ob zwischen einzelnen Einsätzen zum Abschnitt zurückgefahren werden kann oder direkt zum nächsten Einsatz gefahren werden muss, hängt von der Einsatzlage an den einzelnen Tagen ab. Die Einsätze erfordern die Fertigung von Berichten. Bei einfachen Verkehrsunfällen können diese per Hand im Fahrzeug gefertigt werden. In der Regel werden jedoch vor Ort nur handschriftliche Notizen gefertigt und die Berichte dann am Computer; Papierformulare werden heute dafür kaum noch benutzt. Im Abschnitt gibt es einen eigenen Raum neben der Wache mit vier Computerarbeitsplätzen, in dem die Berichte gefertigt werden können; durch die räumliche Nähe ist die Rufbereitschaft gewährleistet. Die Berichte werden im Computer in der Regel am selben Tag angelegt, je nach Einsatzbelastung zwischen den Einsätzen, häufig jedoch aus Zeitmangel am Ende der Schicht, nachdem die Folgefunkwageneinsatzschicht, die regelmäßig zwecks Fahrzeugübergabe und -kontrolle eine halbe Stunde überlappt, ihren Dienst bereits angetreten hat. Zum Abschluss der Berichte sind ggf. Überstunden nötig, oder es wird ein Teil eines disponierbaren Dienstes direkt im Anschluss an den Funkwageneinsatzdienst geplant. Während der Funkwageneinsatzdienste ist der Besuch der Kantine aus praktischen Gründen (jederzeitige Rufbereitschaft) nicht möglich. Im Funkwageneinsatzdienst versorgen sich die Beamten entweder an Imbissständen o. ä., wobei eine(r) die Bestellung aufgibt und das Essen zum Wagen bringt, eine(r)...