rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsführerhaftung. Maßgeblichkeit der finanziellen Leistungsfähigkeit der GmbH im Zeitpunkt der Kenntnis des Geschäftsführers von der Existenz der betreffenden Steuerschuld. Mitwirkungspflicht
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Frage einer Haftungsinanspruchnahme des (ehemaligen) Geschäftsführers nach § 69 i. V. m. § 34 AO kommt es nicht auf die tatsächliche finanzielle Leistungsfähigkeit der GmbH im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgabenverbindlichkeiten, sondern auf deren finanzielle Leistungsfähigkeit im Zeitpunkt der positiven Kenntnis des GmbH-Geschäftsführers von der Existenz der betreffenden Abgabenverbindlichkeiten an.
2. Im Rahmen der GmbH-Geschäftsführerhaftung nach § 69 i. V. m. § 34 Abs. 1 AO trifft den (ehemaligen) Geschäftsführer als Haftungsschuldner eine besonders intensive Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung des Sachverhalts im Hinblick auf die Ermittlung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft. Mangelnde Mitwirkung des Haftungsschuldners geht prozessual zu seinen Lasten.
Normenkette
AO § 191 Abs. 1, §§ 69, 34, 90 Abs. 1, § 162; GmbHG § 43 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte den Kläger als ehemaligen alleinigen Geschäftsführer von drei GmbH's wegen rückständiger Abgabenverbindlichkeiten persönlich in Haftung nehmen kann.
B… GMBH
Der 1957 geborene Kläger, damals wohnhaft in E…, war alleiniger Geschäftsführer der am 21. April 2006 gegründeten B… GmbH (UR-Nr. …/2006 des Notars F… aus G…).
Die B… GmbH war eine Tochtergesellschaft innerhalb des H…-Konzerns. Satzungsmäßiger Unternehmensgegenstand der B… GmbH war „der Erwerb von Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten und von Geschäftsanteilen an Grundstücksgesellschaften sowie deren Veräußerung, Bewirtschaftung und Verwaltung”. Gründungsgesellschafter waren Frau I… mit einem Gesellschaftsanteil in Höhe von 2 500,00 EUR sowie Herr J… mit einem Gesellschaftsanteil in Höhe von 22 500,00 EUR. Beide Gesellschafter sind in K… (Republik Irland) ansässig. Die 1964 geborene Frau L… besaß Einzelprokura mit der Befugnis, Rechtsgeschäfte mit sich oder als Vertreter Dritter abzuschließen sowie der Befugnis, Rechtsgeschäfte zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken vorzunehmen.
Die im Auftrag der B… GmbH tätige Steuerberatungssozietät M… GbR aus N… beantragte beim Beklagten mit Schreiben vom 28. August 2008 Fristverlängerung für die Abgabe der Jahressteuererklärungen 2007 bis zum 31. Dezember 2008. Der Beklagte gab diesem Antrag mit Schreiben vom 2. September 2008 statt. Mit weiterem Schreiben vom 18. Dezember 2008 beantragte die o. g. Steuerberatersozietät eine weitergehende Fristverlängerung bis zum 28. Februar 2009. Der Beklagte antwortete auf dieses Schreiben nicht.
Mangels Einreichung einer Körperschaftsteuererklärung sowie einer Bilanz für das Streitjahr 2007 schätzte der Beklagte das Betriebsergebnis gemäß § 162 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) auf + 44 000,00 EUR und erließ am 22. Mai 2009 einen entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO).
Am 3. August 2009 ging beim Beklagten die Körperschaftsteuererklärung 2007 nebst Bilanz ein. An der Erstellung der Bilanz vom 20. Juli 2009 hatte die o. g. Steuerberatersozietät mitgewirkt. Im Jahresabschluss ist ein Erlös aus dem Verkauf einer Beteiligung an einer O… GmbH in Höhe von 46 500,00 EUR enthalten. Der Erlös wurde von der B… GmbH gemäß § 8 b Abs. 2 KStG steuerfrei behandelt.
Die B… GmbH hatte mit notariell beurkundetem Vertrag vom 21. März 2007 Geschäftsanteile im Umfang von 2 500,00 EUR an der vorgenannten Gesellschaft (Stammkapital insgesamt: 25 000,00 EUR) gegen Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 18 745,80 EUR erworben. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 23. Juli 2007 veräußerte die B… GmbH diese Anteile.
Der Beklagte folgte zunächst den Angaben in der Steuererklärung und setzte die Körperschaftsteuer unter Berufung auf § 164 Abs. 2 AO mit Bescheid vom 14. September 2009 auf 0,00 EUR fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.
Die B… GmbH reichte beim Beklagten Bilanzen bis einschließlich 31. Dezember 2011 ein. Daraus sowie aus den Erkenntnissen der Außenprüfung betr. die Jahre 2006 bis 2008 ergaben sich folgende Umsätze und Betriebsergebnisse der Gesellschaft:
|
Umsätze: |
Betriebsergebnisse: |
2006: |
0,00 EUR |
./. 1 955,02 EUR |
2007: |
46 659,94 EUR |
17 089,32 EUR |
2008: |
0,00 EUR |
./. 270,21 EUR |
2009: |
203,85 EUR |
./. 222,95 EUR |
2010: |
423,28 EUR |
78,76 EUR |
2011: |
211,64 EUR |
./. 67,31 EUR |
2012: |
98,59 EUR |
./. 116,82 EUR |
2013: |
149,98 EUR |
./. 5 945,35 EUR |
2014: |
0,00 EUR |
./. 735,18 EUR |
2015: |
0,00 EUR |
./. 51,70 EUR |
Im Jahr 2011 führte der Beklagte bei der B… GmbH eine Außenprüfung betr. Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer 2006 bis 2008 durch (vgl. Bericht vom 9. Februar 2012). Der Außenprüfer vertrat die Auffassung, dass eine Steuerfreiheit der Veräußerung de...