rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld: Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers bei nachträglicher Kindergeldfestsetzung für nicht im Haushalt des Elternteils lebende Kinder nach § 74 Abs. 2 EStG i. V. m. 107 Abs. 1 SGB X und bei Bezug des Elternteils von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nur für sich selbst
Leitsatz (redaktionell)
1. Kindergeld ist sozialhilferechtlich Einkommen nicht des Kindes, sondern desjenigen Elternteils, an den es ausgezahlt wird (Anschluss an Urteile des BVerwG v. 17.12.2003, 5 C 25/02; v. 21.6.2001, 5 C 7/00; und des BFH v. 5.6.2014 – VI R 15/12). Bildet ein Elternteil mit einem in seinem Haushalt lebenden Kind eine Bedarfsgemeinschaft und erhält die Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, so ist das zugunsten des Elternteils für weitere, nicht mehr im Haushalt lebende Kinder festgesetzte Kindergeld auch dann auf die Leistungen des Sozialleistungsträgers für den Elternteil anzurechnen, wenn der Elternteil für diese weiteren Kinder keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhält und das Kindergeld für die weiteren Kinder nicht zeitnah, sondern erst nachträglich festgesetzt worden ist.
2. Der Erstattungsanspruch des Sozialleistungsträgers aufgrund bereits erfolgter Leistungen gegen die Familienkasse nach § 74 Abs. 2 EStG ist monatsweise zu berechnen. Er darf der Höhe nach weder höher sein als die für den Elternteil selbst bewilligte Leistung des Sozialleistungsträger noch höher als das von der Familienkasse bewilligte Kindergeld.
Normenkette
EStG § 74 Abs. 2; SGB X § 107 Abs. 1, § 102 Abs. 1-2; AO § 89 S. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob und ggf. inwieweit für die Klägerin festgesetztes Kindergeld durch Leistungen des Jobcenters als erfüllt gilt und inwieweit es an die Klägerin selbst auszuzahlen ist.
I.1.
Für die erwachsenen, nicht im Haushalt der Klägerin wohnenden, im Streitzeitraum Januar 2015 bis April 2017 noch in Ausbildung befindlichen Kinder C., geb. 03.1991, und B., geb. 1995, wurde mit Bescheid der beklagten Familienkasse vom 25.04.2017 (KG-A Bl. 270-273) Kindergeld festgesetzt (für C. nur bis zum Monat März 2016, in dem er sein 25. Lebensjahr vollendete).
Die Klägerin stand in diesem Zeitraum, zusammen mit der jüngeren Tochter D., geb. 2007, die mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt (Bedarfsgemeinschaft) lebte, im Leistungsbezug beim beigeladenen Jobcenter E.. Sie erhielt, wobei zahlreiche Bescheide und Änderungsbescheide des Jobcenters ergingen (FG-A Bl. 52-91), Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für sich und die Tochter D., jedoch keine für die Kinder C. und B..
2.a)
Mit Schreiben an die Familienkasse vom 22.09.2016 (KG-A Bl. 156) machte das Jobcenter einen Erstattungsanspruch gemäß § 102 ff SGB X dem Grunde nach geltend. Mit Schreiben an die Familienkasse vom 07.04.2017 (KG-A Bl. 250) teilte das Jobcenter die der Klägerin bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit (in der Summe 10.989,80 EUR, dabei keine für Mai 2015) und machte einen (nur in der Summe angegebenen) Erstattungsbetrag in Höhe von 6.935,80 EUR geltend. Erst im Klageverfahren wurde dieser Betrag auf Anforderung des Gerichts einzelnen Monaten zugeordnet (FG-A Bl. 134, Schriftsatz Jobcenter 22.06.2018).
b)
In dem bereits genannten Bescheid der Familienkasse vom 25.04.2017 (KG-A Bl. 270) ist (bezüglich des Streitzeitraums) ausgeführt, für die Kinder C. und B. würden 8.220 EUR festgesetzt, wovon 8.220 EUR gemäß § 74 Abs. 2 EStG i. V. m. § 107 SGB X als erfüllt gelten würden. In Höhe von 6.935,80 EUR habe das Jobcenter einen Erstattungsanspruch geltend gemacht, so dass 1.284,20 EUR an die Klägerin auszuzahlen seien. (Darüber hinaus wird im genannten Bescheid Kindergeld für Dezember 2014 festgesetzt und zur Auszahlung an die Klägerin angewiesen, hierüber besteht kein Streit.)
Die monatliche Kindergeldhöhe, die im Bescheid missverständlich bzw. falsch angegeben war, wurde von der Familienkasse mit Schriftsatz vom 19.04.2018 erläutert (FG-A Bl. 94). In einem von der Familienkasse als Änderungsbescheid bezeichneten, im Laufe des Klageverfahrens vorgelegten Schriftstück vom 15.05.2018 (FG-A Bl. 102) ist ausgeführt, der als erfüllt geltende Betrag betrage 8.026 EUR; die Höhe des vom Jobcenter geltend gemachten Erstattungsanspruchs und die Höhe der Auszahlung an die Klägerin sind jedoch ohne Änderung angegeben (6.935,80 EUR bzw. 1.284,20 EUR). Ferner fertigte die Familienkasse mit Datum 26.06.2018 ein als „Abrechnungsbescheid” bezeichnetes Schreiben an die Klägerin (FG-A Bl. 140), in dem ausgeführt ist, es seien für den Streitzeitraum 1.284,20 EUR an die Klägerin zu zahlen und am 28.04.2017 auch gezahlt worden und der Auszahlungsanspruch des Jobcenters betrage 6.935,80 EUR. Zu beiden Schriftstücken vertrat die Famil...