rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtteilsanspruch eines Kindes bei Berliner Testament der Eltern und Tod des ersten Elternetils nur bei ernsthafter Geltendmachung noch zu Lebzeiten des länger lebenden Elternteils als Nachlassverbindlichkeit abziehbar
Leitsatz (redaktionell)
1. Wurde nach dem Tod des einen Ehegatten (hier: Ehemann) der andere, überlebende Ehegatte (hier: Ehefrau) Alleinerbe und wird nach dem Tod des längerlebenden Ehegatten das gemeinsame Kind der Ehegatten Alleinerbe, so kann das Kind den Pflichtteil, der ihm beim Tod des zuerst verstorbenen Elternteils zugestanden hat, nur dann als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG des länger lebenden Ehegatten und nunmehrigen Erblassers abziehen, wenn die Pflichtteilsforderung zu Lebzeiten des mit dem Pflichtteilsanspruchs beschwerten nunmehrigen Erblassers diesem gegenüber ernstlich geltend gemacht worden ist und diesen im Todeszeitpunkt wirtschaftlich belastet hat. Für die ernsthafte Geltendmachung zu Lebzeiten des Erblassers trägt der Steuerpflichtige, der die Erblasserschuld als Nachlassverbindlichkeit geltend macht, die Feststellungslast.
2. Es spricht gegen die ernsthafte Geltendmachung des Pflichtteils zu Lebzeiten des länger lebenden Ehegatten und Elternteils, wenn nach dem ersten Todesfall die vordruckmäßige Frage in der Erbschaftsteuererklärung nach Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen und geltend gemachten Pflichtteilen, an deren Erstellung das rechtskundige Kind mitgewirkt hat, durch das Setzen eines Minuszeichens verneint worden ist. Die Geltendmachung des Pflichtteils kann nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten nicht mehr steuerwirksam nachgeholt werden.
Normenkette
ErbStG § 10 Abs. 5 Nrn. 1-2, § 9 Abs. 1 Nr. 1b, § 10 Abs. 3; BGB § 2332
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte zu Recht den Ansatz einer Pflichtteilsverbindlichkeit als Erblasserschuld nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz – ErbStG – versagt hat.
Aufgrund gemeinschaftlicher, gegenseitiger Einsetzung zu Alleinerben der Eheleute D und E (sog. Berliner Testament) wurde Frau E Alleinerbin nach ihrem am 23. Mai 2003 verstorbenen Ehemann. Die Klägerin als einziger Abkömmling war damit von der gesetzliche Erbfolge nach ihrem Vater ausgeschlossen und entsprechend Pflichtteilsberechtigte nach § 2303 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –. Am 07. Juli 2003 beantragte Frau E vor dem Notar F in Berlin die Ausstellung eines Erbscheins aufgrund des vor dem zuständigen Amtsgericht eröffneten Testaments. In der von der Klägerin ausgefüllten und von der Mutter unterschriebenen Erbschaftsteuererklärung nach dem Tod des Vaters vom 04. Januar 2004 wurde zu Punkt C. des Vordrucks: „Nachlassverbindlichkeiten, Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen, geltend gemachten Pflichtteilen und Erbersatzansprüchen” ein Minuszeichen: „./.” im Sinne einer Negativangabe gesetzt. Mangels steuerlicher Auswirkung aufgrund der persönlichen Freibeträge der Mutter nach §§ 16 und 17 ErbStG unterblieb eine Erbschaftsteuerfestsetzung gegen diese. Auch erfolgte keine Erbschaftsteuerfestsetzung gegen die Klägerin im Zusammenhang mit deren Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des Vaters.
Am 24. August 2004 verstarb auch Frau E (Erblasserin), die von der Klägerin als Schlusserbin und Alleinerbin beerbt wurde. In dem Vordruck der Erbschaftsteuererklärung für den Erwerb nach der Erblasserin blieb die mit „ja” oder „nein” anzukreuzende Frage nach geltend gemachten Pflichtteilsansprüchen unbeantwortet. Die Erklärung ging beim Beklagten am 01. Februar 2005 ein.
Mit Vorbehaltsbescheid vom 25. Februar 2005 setzte der Beklagte eine Erbschaftsteuer von 103.750,00 EUR gegen die Klägerin für den Erwerb nach der Erblasserin fest, gegen den die Klägerin wegen des Ansatzes von Grundbesitzwerten Einspruch einlegte. Mit Schreiben vom 05. April 2005 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten, dass sie ihren Pflichtteil nach ihrem vorverstorbenen Vater in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils, entsprechend einem Viertel des Nachlasswertes, geltend mache. Entsprechend müsse der Wert der Bereicherung für den Erwerb nach der Erblasserin um ein Viertel aufgrund der von der Mutter auf sie, die Klägerin, übergegangenen Pflichtteilsverbindlichkeit gemindert werden. Der Pflichtteilsanspruch nach dem Vater sei noch nicht verjährt, weil die Dreijahresfrist nach § 2332 BGB nach dem Tod des Vaters noch nicht abgelaufen sei.
Am 22. September 2005 erließ der Beklagte – unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung – einen Änderungsbescheid über nunmehr 98.350 EUR aufgrund von mittlerweile erteilten Feststellungsbescheiden zu Grundbesitzwerten. Die Berücksichtigung des Pflichtteilsanspruchs als eine mit dem Tod der Mutter auf die Klägerin übergegangene Erblasserschuld lehnte der Beklagte mangels Nachweises der Geltendmachung des Pflichtteilanspruchs noch z...