Entscheidungsstichwort (Thema)
Zivilprozesskosten des Gesellschafters eines Immobilienfonds im Zusammenhang mit der Haftungsinanspruchnahme für Verbindlichkeiten des Fonds als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
Wurde der Gesellschafter eines Immobilienfonds nach der Veräußerung der Immobilie von der finanzierenden Bank infolge einer bestehenden Lastenfreistellungsverpflichtung sowie als persönlich haftender Gesellschafter nach § 128 HGB für verbleibende Verbindlichkeiten des Immobilienfonds in Anspruch genommen und hat er sich – nicht mutwillig, aber letztendlich erfolglos – zivilrechtlich gegen diese Inanspruchnahme gewehrt, so sind die im Streitjahr 2010 im Zusammenhang mit Zivilprozessen angefallenen Gerichts- und Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.
Normenkette
EStG 2009 § 33 Abs. 1, 2 S. 1; HGB § 128
Tenor
Die Einkommensteuer 2010 wird unter Änderung des Bescheides vom 04.10.2012 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 16.10.2012 dahingehend neu festgesetzt, dass bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 26.108,00 EUR – soweit dieser Betrag die zumutbare Eigenbelastung übersteigt – berücksichtigt werden. Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 Finanzgerichtsordnung – FGO – dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Beschluss:
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2010 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. In ihrer Einkommensteuererklärung machten sie für den Kläger außergewöhnliche Belastungen in Höhe von insgesamt 26.108 EUR geltend. Dabei handelte es sich um Zivilprozesskosten, die dem Kläger im Zusammenhang mit einer Immobilienfonds – Beteiligung entstanden waren.
Im Einkommensteuerbescheid 2010 vom 19.04.2012 berücksichtigte der Beklagte die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen nicht. In den Erläuterungen zur Festsetzung ist hierzu ausgeführt, dass Zivilprozesskosten entgegen dem BFH-Urteil vom 12.05.2011 (VI R 42/10) laut BMF-Schreiben vom 20.12.2011 (Bundessteuerblatt I, 1286) weiterhin nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig seien. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 16.10. 2012 mit der gleichen Begründung als unbegründet zurück und führte ergänzend aus, dass auch kein existenziell wichtiger Bereich des Klägers berührt worden sei. Zumindest sei dies weder vorgetragen noch nach Aktenlage erkennbar.
Mit ihrer hiergegen fristgerecht erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Zur Begründung führen sie aus, dass der Kläger Gesellschafter der C. Fondsgesellschaft gewesen sei. Und zwar habe sich der Kläger formal als Treugeber – Gesellschafter mittelbar über die D. GmbH, die als Handelsregister – Treuhänderin agiert habe, an der C. Fondsgesellschaft beteiligt. Aufgrund erheblicher struktureller Unterdeckungen habe im Kalenderjahr 2006 die Fondsimmobilie veräußert werden müssen. Im Rahmen des abgeschlossenen Grundstückskaufvertrages sei die C. Fondsgesellschaft zur Lastenfreistellung des Grundstücks verpflichtet gewesen. Der wesentliche Darlehensgläubiger der C. Fondsgesellschaft, die E. Bank AG habe zur Erteilung einer Löschungsbewilligung auf einer Lastenfreistellungsvereinbarung mit der C. Fondsgesellschaft bestanden. Gegenstand dieser Vereinbarung sei unter anderen gewesen, dass der für die Fondsimmobilie erzielte Kaufpreis zunächst nicht zur Darlehensrückführung der E. Bank AG verwendet wurde, sondern zunächst auf ein Sicherheitenkonto gezahlt wurde, ohne dass dadurch eine Reduzierung der Darlehensschuld der C. Fondsgesellschaft herbeigeführt worden sei.
Demgemäß hat die E. Bank AG ihre Ansprüche schließlich gegen die Gesellschafter in Höhe der Gesamtverbindlichkeiten der C. Fondsgesellschaft von 15.510.048,35 EUR gerichtlich geltend gemacht, ohne allerdings den ihr zustehenden Kaufpreisanteil i. H. v. 10.990.288,34 EUR zu berücksichtigen. Aufgrund der Beteiligung des Klägers an der C. Fondsgesellschaft mit einem Prozentsatz von 3 % entfiel daher eine Klageforderung auf den Kläger i. H. v. 465.301,46 EUR. Der Kläger hat sich gegen die klageweise geltend gemachte Forderung rechtlich zur Wehr gesetzt, da nach seiner Auffassung seine Inanspruchnahme ohne Verrechnung des tatsächlich erzielten Kaufpreises erheblichen rechtlichen Bedenken unterlag.
Darüber hinaus wurde der Kläger von der Treuhänderin D. GmbH auf Freistellung von deren Haftung aus § 128 Handelsgesetzbuch (HGB) auf einen Betrag i. H. v. 66.595,91 EUR in Anspruch genommen. Auch diese Inanspruchnahme...