Entscheidungsstichwort (Thema)
Auskunftsersuchen an Dritte. fehlende Erfolgsaussichten eines Auskunftsersuchens an den Steuerpflichtigen selbst
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Anwendung von § 93 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 AO setzt voraus, dass das Finanzamt einen klar umrissenen und für die Besteuerung des Steuerpflichtigen erheblichen Sachverhalt herausarbeitet, um eine sachgerechte Prognose zu den Erfolgsaussichten einer Sachverhaltsermittlung durch Mitwirkung des Steuerpflichtigen vornehmen zu können.
2. Allein die lebensnahe Betrachtung, dass ein Steuerpflichtiger, der über die Ankaufspreise der von ihm weiterveräußerten Waren bewusst falsche Angaben gemacht hat, bei einer diesbezüglichen Befragung durch die Finanzbehörde nicht daran mitwirken wird, diese Falschangaben zu korrigieren, kann eine entsprechende tatsächlich feststellbare Prognoseentscheidung des Finanzamts nicht ersetzen.
Normenkette
AO § 93 Abs. 1 S. 3
Tenor
Es wird festgestellt, dass die im Rahmen der Betriebsprüfung gemäß Prüfungsanordnung vom 04. November 2015 gestellten Auskunftsersuchen vom 09. und vom 10. Februar 2016 an insgesamt 21 Personen nach § 93 AO rechtswidrig gewesen sind.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern der Kläger nicht zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Beschluss:
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von 21 an Dritte gerichteten Auskunftsersuchen des Beklagten im Rahmen einer beim Kläger durchgeführten Außenprüfung. Der Rechtsstreit befindet sich im 2. Rechtsgang.
Der Kläger betreibt in C… unter der Firma „B…” einzelunternehmerisch einen Handel mit Kraftfahrzeugen, vor allem mit Gebrauchtwagen. Er erzielte laut den eingereichten Jahressteuererklärungen und Bilanzen in den Jahren 2008 bis 2011 positive Betriebsergebnisse in Höhe von mindestens 113 671 EUR (2008) bis zu 267 288 EUR (2009).
Mit Bescheid vom 4. November 2015 ordnete der Beklagte die Durchführung einer Außenprüfung beim Kläger betr. Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer für die Jahre 2009 bis 2011 an.
Im Rahmen der Außenprüfung führte die Prüferin mehrere Anfragen beim Kraftfahrt-Bundesamt (künftig: KBA) hinsichtlich der vom Kläger in den Jahren 2009 bis 2011 angekauften Fahrzeuge durch. Dabei stellte sich heraus, dass in einer Reihe von Fällen diejenigen Personen, die die Fahrzeuge an den Kläger verkauft hatten, nicht mit dem jeweils letzten Halter der Fahrzeuge identisch waren. Anhand der übergebenen Geschäftsunterlagen konnte die Prüferin die Bewegungen der vorgenannten Fahrzeuge in der Kette zwischen dem letzten Fahrzeughalter laut Auskunft des KBA und dem Kläger nicht nachvollziehen. Die Fahrzeugbriefe hatte der Kläger beim Weiterverkauf der Fahrzeuge ausgehändigt.
In einem am 8. Februar 2016 begonnenen und nach Eingang weiterer Auskünfte des KBA am 9. bzw. 10. Februar 2016 ergänzten Aktenvermerk hielten die Außenprüferin, Frau D…, und die zuständige Sachgebietsleiterin für Betriebsprüfung, Frau E…, bestimmte Umsätze des Klägers mit Gebrauchtfahrzeugen als auffällig fest und stellten Erwägungen über durchzuführende Auskunftsersuchen an. In diesem Vermerk (Bl. 000039 ff. BP-Handakten), der nachstehend hinsichtlich der streitgegenständlichen 21 Auskunftsersuchen wiedergegeben wird, heißt es:
„Nach interner Rücksprache im Haus am 08.02.2016 (s. separate Gesprächsnotizen) sind die Auskunftsersuchen an die letzten Halter der Fahrzeuge durch die BP zu fertigen.
Ermessensentscheidungen:
Allgemeine Vorbemerkungen: Nach – durch die Vorprüfgruppe – durchgeführten KBA-Anfragen wurde erkennbar, dass die Personen, die die Fahrzeuge an [den Kläger] verkauft haben, nicht die letzten Halter der Fahrzeuge waren.
Bsp.: |
letzter Halter lt. KBA (Abmeldung 01.09.08) |
F… GmbH |
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Verkäufer (nicht letzter Halter) |
G… |
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Einkauf am 03.09.08 |
[Kläger] |
Nach Auffassung der BP kann eine Anfrage an [den Kläger] unterbleiben, da diese(r) vom Käufer das Fahrzeug erworben hat (= Belege in Fibu vorhanden und gebucht) und nicht vom letzten Halter. Es ist davon auszugehen, dass der letzte Halter [dem Kläger] unbekannt sei.
Die Sachverhaltsaufklärung durch den Beteiligten [Kläger] verspricht keinen Erfolg (§ 93 Abs. 1 S. 3 AO). Satz 3 eröffnet die Möglichkeit, Auskunftsersuchen direkt an Dritte zu richten, wenn die SV erklärung durch den Beteiligten keinen Erfolg verspricht. Die Aufklärung des SV durch den Beteiligten verspricht dann keinen Erfolg, wenn sie nach den Umständen nicht zu erwarten ist (s. Hinweis Abweichungen Käufer – letzter Halter bzw. letzter Halter mit abweichenden Daten in LUNA). (AEAO zu § 93, Rz. 12).
Um aber die Fahrzeugbewegung in der Kette aufzuklären, sind die letzten Halter anzuschreiben und danach nachfolgend die jeweiligen Käufer bis [z...