Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung eines Verlustes aus der Veräußerung von Anteilen an einer Software entwickelnden und vertreibenden Kapitalgesellschaft mit Sitz in den USA. Standardsoftware als körperliche Sache
Leitsatz (redaktionell)
1. Betreibt eine in den USA ansässige Kapitalgesellschaft die Entwicklung und den Vertrieb von Standardsoftware nach wirtschaftlichen Maßstäben ernsthaft, unterliegen die aus der Veräußerung der Beteiligung an der Gesellschaft erzielten Verluste gem. § 2a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002 nicht der Abzugsbeschränkung, weil die Herstellung und der Vertrieb von Standardsoftware unter den Begriff der Ware nach Satz 1 der Vorschrift fällt.
2. Der Begriff der „Ware” i.S. des § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 ist danach abzugrenzen, ob es sich um eine individuell auf den Kunden zugeschnittene Software (= immaterielles Wirtschaftsgut) oder aber um eine Standardsoftware bzw. um ein Trivialprogramm (= bewegliche Sache) handelt (Anschluss an BGH-Rechtsprechung und h.M.).
3. Software ist als körperliche Sache zu behandeln, wenn es sich um eine vorgefertigte Software handelt, die –standardmäßig– für eine Vielzahl von Nutzern gedacht ist und deren Lieferung sich –wie beim Erwerb von Schallplatten oder Büchern– im Ergebnis als Überlassung eines Datenträgers mit dem darin verkörperten Programm darstellt, der als Instrument zur Datenverarbeitung dienen soll.
Normenkette
EStG 2002 § 2a Abs. 2 Sätze 1-2, Abs. 1 S. 1 Nr. 4, § 17 Abs. 2, § 52 Abs. 34a; HGB § 1 Abs. 2 Nr. 1; AIG § 5; BGB § 90; EStR 2001 R 31a; EStR 2005 R 5.5; EStG § 3c Abs. 2
Nachgehend
Tenor
Die Einkommensteuer 2002 wird unter Änderung des Bescheides vom 08.09.2004 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 11.11.2004 dahingehend geändert festgesetzt, dass ein Verlust in Höhe von 144 638,00 EUR aus der Veräußerung der Anteile an der X-Inc. bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb des Klägers berücksichtigt wird.
Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 Finanzgerichtsordnung – FGO – dem Beklagten übertragen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung eines Veräußerungsverlusts nach § 17 Einkommensteuergesetz – EStG – in Höhe von 144 638,00 EUR.
Der Kläger hatte im April 2000 stimmberechtigte 103 448 Anteile (= 9,68 %, preferred stock) der in den USA ansässigen „X-Inc.” mit Sitz in M zu einem Kaufpreis von 300 000 USD (Kurs USD 1,00 = DM 2,044) erworben. Zusätzlich hatte er vorab am 15.02.2000 nichtstimmberechtigte Vorzugsaktien (common stock) für 4 000 USD (Kurs USD 1,00 = DM 2,038) erworben, wofür er einschließlich Provisionen 8 027,22 DM (= 4 104,26 EUR) aufzuwenden hatte. Zweck des Unternehmens sollte nach dem Geschäftsplan die Entwicklung und der Vertrieb der Internet-Software A(tm) sein. Der Kläger veräußerte im Dezember 2002 seine Anteile an der X-Inc. an die Y-GmbH & Co. KG mit Sitz in L zu einem Kaufpreis von 28 820,08 EUR.
Aus der Veräußerung seiner Anteile machte der Kläger im Rahmen der Einkommensteuererklärung für 2002 – nach richtiger Berechnung – einen Veräußerungsverlust in Höhe von 289 277,60 EUR geltend, der sich wie folgt ermittelt:
Anschaffungskosten Anteile preferred stock 300 000,00 USD = |
613 200,00 DM |
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917,75 DM |
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313 993,42 EUR |
common stock |
614 117,75 DM |
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4 104,26 EUR |
Anschaffungskosten gesamt |
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318 097,68 EUR |
abzüglich Veräußerungserlös |
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./. 28 820,08 EUR |
Veräußerungsverlust |
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289 277,60 EUR |
Nachdem der Beklagte mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Einkommensteuerbescheid 2002 vom 08.03.2004 bzw. 18.03.2004 den Veräußerungsverlust unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens zunächst in Höhe von 144 588,00 EUR (bei richtiger Berechnung: 144 638,00 EUR) angesetzt hatte, erging im Anschluss an eine Außenprüfung mit Datum vom 08.09.2004 ein geänderter Einkommensteuerbescheid 2002, in dem der Verlust nicht mehr berücksichtigt wurde. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.
Im Einspruchsverfahren wiesen die Kläger darauf hin, dass es sich um Verluste gemäß § 2 a Abs. 2 Satz 2 EStG handle, die keiner Abzugsbeschränkung unterlägen. Die Gesellschaft sei in den USA gewerblich tätig gewesen. Zweck der Gesellschaft sei die Herstellung und der Vertrieb einer Standardsoftware, die unter den Begriff der „Ware” im Sinne des § 2 a Abs. 2 Satz 1 EStG falle.
Der Beklagte folgte dem nicht, sondern wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 11.11.2004 als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen des § 2 a Abs. 2 Satz 1 EStG lägen nicht vor. Soweit die US-Gesellschaft Software entwickelt und verkauft habe, bedeute dies nicht, dass das jeweils entwickelte Programm ...