Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch bei Berufstätigkeit eines Ehegatten in Großbritannien. keine Kürzung bei möglichem Anspruch auf britische Leistungen in Höhe von Null

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Kindergeldanspruch in Deutschland in einem gemeinsamen Haushalt mit den Kindern lebender Eltern ist nicht um einen etwaigen Anspruch des in Großbritannien berufstätigen Ehemanns auf britische Leistungen (child benefit) zu kürzen, wenn dieser Anspruch – sollte er dem Grunde nach bestehen – angesichts der Höhe der vom Ehemann aus seiner dortigen Berufstätigkeit bezogenen Einkünfte auf Null zu kürzen wäre.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 64 Abs. 1, 2 S. 2, § 32 Abs. 1; EGV 883/2004 Art. 68

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.11.2023; Aktenzeichen III R 40/22)

 

Tenor

Abweichend von dem Bescheid vom 17.05.2016 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 09.11.2016 wird das Kindergeld für die Kinder B…, C… und D… für November und Dezember 2015 in Höhe von 570,00 EUR und für Januar bis November 2016 in Höhe von 576,00 EUR festgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist seit dem Jahr 2008 mit E… verheiratet. Sie lebt zumindest seit August 2009 unter der obigen Anschrift in F….

Sie ist die Mutter von B…, geboren am ….2009 in Großbritannien, C…, geboren am ….2011 in den Niederlanden, und D…, die am ….2014 in Deutschland geboren wurde. Alle Kinder lebten von kurz nach ihrer Geburt und auch im Streitzeitraum bei der Klägerin.

Der Ehemann der Klägerin ging in Großbritannien zunächst einer Erwerbstätigkeit nach. Er erhielt für B… seit ihrer Geburt bis zu seinem Umzug in die Niederlande Familienleistungen in Großbritannien (child benefit). In den Niederlanden war er ab 16.08.2010 unselbständig erwerbstätig Im August 2013 verlegte der Ehemann der Klägerin seinen melderechtlichen (Haupt-)Wohnsitz nach Deutschland. Dieser war seitdem einziger melderechtlicher Wohnsitz. Er arbeitete aber weiterhin unselbständig beschäftigt in den Niederlanden. Ab dem 01.11.2013 und auch im Streitzeitraum arbeitete der Ehemann der Klägerin unselbständig beschäftigt in Großbritannien mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von mehr als 60.000 Britische Pfund – GBP – (für die Jahre 2015 und 2016 siehe Blatt 23 Gerichtsakte).

Eine Anfrage der Familienkasse G… bei der Administrative Commission on social security for migrant workers ergab, dass der Ehemann der Klägerin seit dem 23.08.2010 nicht als im United Kingdom lebend erfasst war. Daraufhin bewilligte die Familienkasse G… mit Bescheid vom 08.12.2014 der Klägerin für die Zeit vom November 2013 bis Dezember 2014 sowie ab Januar 2015 Kindergeld für ihre Kinder ohne Anrechnung von ausländischen familienbezogenen Leistungen.

Eine weitere Anfrage der Familienkasse G… bei der Administrative Commission on social security for migrant workers ergab, dass seit dem 23.08.2010 keine „benefits” gezahlt worden waren (Vordruck E 411, Blatt 318 ff. Kindergeldakte).

Die Klägerin war im Streitzeitraum nicht berufstätig.

Mit Bescheid vom 17.05.2016 setzte die Beklagte Kindergeld für die Kinder der Klägerin ab November 2015 vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 AbgabenordnungAO – unter Anrechnung der britischen Familienleistungen (Child Benefit) in Höhe von 260,91 EUR pro Monat für alle drei Kinder fest. Die Beklagte führte aus, dass eine endgültige Festsetzung erfolgen werde, wenn eine Bescheinigung über die Höhe der in dem Vereinigten Königreich zustehenden Familienleistungen vorliege. Sie empfahl, den Antrag auf Child Benefit zu stellen, weil der Anspruch grundsätzlich bestehe und auf das deutsche Kindergeld anzurechnen sei, und zwar auch, wenn die Einkommensgrenze überschritten werde.

Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 02.06.2016 (eingegangen bei der Beklagten am 06.06.2016) Einspruch ein. Sie machte geltend, dass ihr Ehemann aufgrund seines jährlichen Bruttoeinkommens von über 60.000,00 GBP zwar Kindergeld beantragen könne. Dieses müsse er aber wegen der Höhe seines Einkommens vollständig über die Steuer wieder zurückzahlen. Die Antragstellung diene in einem solchen Fall ausschließlich zum Erwerb von Rentenversicherungsansprüchen, und zwar unabhängig davon, ob das Kindergeld (Child Benefit) ausgezahlt werde oder ob bereits bei Antragstellung darauf verzichtet werde. Werde kein Antrag auf Child Benefit gestellt, werde kein solches ausgezahlt und auch keine Rentenversicherungsansprüche erworben. Insgesamt sei die Summe des gezahlten Kindergeldes in allen drei Varianten null.

Diesen Einspruch wies die Beklagte mit der Einspruchsentscheidung vom 09.11.2016 als unbegründet zurück. Sie führte aus, dass eine vorläufige Festsetzung gemäß § 165 Abs. 1 AO rechtmäßig gewesen sei. Zum Zeitpunkt des...

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