rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG bei erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist gestelltem Antrag eines Arbeitnehmers auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG hinsichtlich der von dem Arbeitnehmer zusätzlich erzielten Kapitaleinkünfte
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat ein Steuerpflichtiger nichtselbständige Einkünfte sowie nach § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG vollumfänglich dem abgeltenden Kapitalertragsteuerabzug unterliegende Kapitaleinkünfte erzielt und erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist erstmalig eine Einkommensteuererklärung abgegeben, begründet ein in dieser Steuererklärung und damit auch erst nach Eintritt der Festsetzungsverjährung gestellter Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG auf Günstigerprüfung hinsichtlich der Kapitaleinkünfte nicht eine Verpflichtung des Finanzamts zur Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG wegen der Überschreitung der dort normierten 410 EUR-Grenze (gegen Sächsisches FG, Gerichtsbescheid v. 16.11.2017, 6 K 1271/17).
2. Die Festsetzung von Kirchensteuer auf die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer nach Ablauf der allgemeinen Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer hat keine Auswirkung auf den Anlauf der Festsetzungsfrist für die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 32d Abs. 4, 6, § 46 Abs. 2 Nr. 1; AO § 169 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1-2, § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die (kirchensteuerpflichtige) Klägerin ist ledig und erzielte im Veranlagungszeitraum (VZ) 2010 (Streitjahr) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie aus Kapitalvermögen i. H. v. 10.714 EUR, die – zwischen den Beteiligten unstrittig – nach § 43 Abs. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vollumfänglich dem abgeltenden Kapitalertragsteuerabzug unterlagen. Am 17.11.2017 gab die Klägerin erstmals eine Einkommensteuererklärung für 2010 ab, mit der sie den Antrag stellte, ihre Kapitalerträge gemäß § 32d Abs. 6 EStG gemäß den allgemeinen Regelungen mit ihrem persönlichen Steuersatz zu besteuern (Günstigerprüfung). Die Steuerbescheinigungen über Einbehalt und Abführung der Kapitalertragsteuer stammen – soweit ersichtlich – aus dem Jahr 2011.
Mit Schreiben vom 19.12.2017 – das eine Rechtsbehelfsbelehrung enthält – lehnte der Beklagte die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr mit der Begründung ab, es sei bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Zeitgleich setzte er auf den Antrag der Klägerin hin hinsichtlich der auf die Kapitalerträge entfallenden Kapitalertragsteuer (2.145 EUR) 9 % evangelische Kirchensteuer i. H. v. 193,05 EUR fest (siehe Einspruchsheftung).
Mit ihrem Schreiben vom 19.01.2018 wandte die Klägerin sich im Wege des Einspruchs gegen die ablehnende Entscheidung des Beklagten. Zur Begründung verwies sie auf einen rechtskräftigen Gerichtsbescheid des Sächsischen Finanzgerichts (FG) vom 16.11.2017 6 K 1271/17 (juris). Aus dieser Entscheidung sei zu schlussfolgern, dass mit dem Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG die Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer entfalle. Dies habe zur Folge, dass ein Pflichtveranlagungsfall i. S. des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG vorliege, für den eine dreijährige Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) ausgelöst werde. Dem folgend habe die Festsetzungsfrist hier nicht vor Ablauf des 31.12.2017 enden können, so dass der Antrag auf Günstigerprüfung festsetzungsfristwahrend eingegangen sei und seinerseits eine Ablaufhemmung nach § 170 Abs. 3 AO ausgelöst habe.
Der Einspruch blieb erfolglos. Mit Einspruchsentscheidung vom 10.01.2019 – auf welche der Senat wegen der weiteren Einzelheiten Bezug nimmt (vgl. Einspruchsheftung) – wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, für den VZ 2010 sei mit Ablauf des 31.01.2014 Festsetzungsverjährung eingetreten. Es läge kein Pflichtveranlagungsfall nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG vor, sondern eine Antragsveranlagung, mit der Konsequenz, dass eine dreijährige Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht eingreife. Soweit die Klägerin im Hinblick auf ihre im Streitjahr erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen ihr Veranlagungswahlrecht nach § 32d Abs. 4 EStG bzw. nach § 32d Abs. 6 EStG (Günstigerprüfung) ausübe, sei eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt. Zwar könne das Veranlagungswahlrecht zeitlich unbefristet ausgeübt werden. In zeitlicher Hinsicht könne das Veranlagungswahlrecht allerdings längstens bis zum Eintritt der Festsetzungsfrist ausgeübt werden. Dem folgend sei das Wahlrecht hier spätestens mit Ablauf des 31.12.2014 in Fortfall geraten, da der durch Abgabe der Einkommensteuererklärung für 2010 gestellte diesbezügliche Antrag der Klägerin erst am 17.11.2017 und mithin in festsetzungsverjährter Zeit be...