Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an Verwaltungsakt über Verteilung eines Übergangsgewinns im Billigkeitswege. Entscheidung über Verteilung als Grundlagenbescheid für die Folgejahre. keine Bindung in den Folgejahren an irrtümlich angenommenen Übergangsgewinn bei fehlendem Grundlagebescheid betreffend Billigkeitsantrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Antrag auf Verteilung des Übergangsgewinns infolge eines Wechsels der Gewinnermittlungsart auf drei Jahre stellt einen Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung gemäß § 163 Abs.1 S. 2 AO dar. Die Entscheidung über diese Billigkeitsmaßnahme ist ein Grundlagenbescheid i. S. v. § 171 Abs. 10 AO, und in einem besonderen Verfahren zu treffen, das mit der Steuerfestsetzung verbunden werden kann, aber nicht verbunden werden muss; die Entscheidung muss aber als Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt und nach außen erkennbar sein.
2. Es ist noch kein Verwaltungsakt betreffend den Billigkeitsantrag und damit kein Grundlagenbescheid ergangen, wenn zwar im Rahmen der Schlussbesprechung nach einer Betriebsprüfung Einigkeit über die Höhe und Verteilung eines Übergangsgewinns bestand, der für das Übergangsjahr ermittelte Gewinn ein Drittel des Übergangsgewinns beinhaltete und im geänderten Einkommensteuerbescheid für das Übergangsjahr auf den Betriebsprüfungsbericht hingewiesen wurde, wenn jedoch nirgends ausdrücklich über den Billigkeitsantrag durch eigenständigen Verwaltungsakt entschieden wurde.
3. Bei Fehlen des Grundlagenbescheids (s. Tz. 2.) ist der Steuerpflichtige nicht – auch nicht nach Treu und Glauben – an die Handhabung im Übergangsjahr und an den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid für das Übergangsjahr gebunden, wenn sich später herausstellt, dass tatsächlich kein Übergangsgewinn, sondern ein Übergangsverlust erzielt worden ist. Der Steuerpflichtige muss dann in den beiden Folgejahren nach dem Übergangsjahr nicht jeweils 1/3 des im Übergangsjahr irrtümlich angenommenen Übergangsgewinns versteuern.
Normenkette
AO § 163 Sätze 2-3, § 171 Abs. 10, § 119 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 1, 3; BGB § 242
Nachgehend
Tenor
Unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 7. April 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. September 2011 wird der für den Gewerbebetrieb des Klägers festgesetzte Gewerbesteuermessbetrag dahin gehend neu festgesetzt, dass der für 2008 veranlagte Gewerbeertrag um 31.856 EUR zu mindern ist. Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 Finanzgerichtsordnung – FGO – dem Beklagten übertragen. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt eine nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages für das Jahr 2008, für die er geltend macht, dass der vom Beklagten veranlagte Gewerbeertrag aus dem Gewerbebetrieb des Klägers um einen mit dem Betrag von 31.856 EUR berücksichtigten Übergangsgewinn aus dem Jahre 2007 zu mindern sei.
Mit Schreiben vom 16. März 2007 hatte der damalige Bevollmächtigte des Klägers, Steuerberater B…, aufgrund des erfolgten Wechsels von der Einnahmen-Überschussrechnung zur Bilanzierung eine Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2007 eingereicht und den Übergangsgewinn mit dem Betrag von 86.568,49 EUR erklärt, der wie folgt ermittelt worden war:
Betriebseinnahmen |
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Warenbestandsveränderung |
27.807,14 EUR |
Forderungen USt-Vorauszahlung 11/2006 |
40.565,24 EUR |
Forderungen USt-Vorauszahlung 12/2006 |
34.699,84 EUR |
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103.072,22 EUR |
Betriebsausgaben |
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Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung |
2.707,00 EUR |
zuzüglich Vorsteuer |
262,24 EUR |
Vorsteuer aus geleisteten Anzahlungen |
4.534,19 EUR |
Rücklage nach § 7g |
9.000,00 EUR |
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16.503,43 EUR |
Übergangsgewinn |
86.568,49 EUR |
Weiter hatte Steuerberater B… mitgeteilt, der Übergangsgewinn werde gemäß dem EStG auf die nächsten Veranlagungsjahre – beginnend mit 2007 – verteilt.
Mit der am 19. Februar 2009 eingereichten Einkommensteuererklärung für 2007 hatte der Kläger mit der Anlage GSE laufende Einkünfte aus seinem Gewerbebetrieb i. H. v. 65.751 EUR erklärt, die erklärungsgemäß bei der Einkommensteuerfestsetzung und mit dem Bescheid über die Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung, beide vom 17. März 2009, berücksichtigt wurden.
Zu einer nachfolgenden Außenprüfung des Handelsunternehmens des Klägers für die Jahre 2005 bis 2007 wurde der Prüfbericht vom 4. Mai 2009 gefertigt. Hier hatte der Prüfer des Beklagten unter Tz. 13 folgendes ausgeführt:
„13. Übergangsgewinn 01.01.07
Lt. Erklärung = |
86.568,79 EUR |
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+ |
9.000,00 EUR |
§ 7g-Rücklage |
Lt. BP |
95.568,79 EUR |
|
Ansatz mit 1/3 = 31.856,26 EUR / Jahr 2007-2009
Die Rücklage wurde bereits in 2006 gebildet. s. Tz. 15.”
In dem daraufhin gemäß § 164 ...