Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmter Sachverhalt im Sinne des § 174 AO bei sukzessiver Tatbestandsverwirklichung in Fällen des § 1 Abs. 2 a GrEStG
Leitsatz (redaktionell)
Die nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist eines Grunderwerbsteuerbescheides, dem der projektierte Gesellschafteraustausch zugrunde lag, mitgeteilten Teilvollzugsakte über später verwirklichte Gesellschafterbeitritte berühren das Tatbestandsmerkmal des „bestimmten Sachverhalts“ im Sinne des § 174 Abs. 1 AO nicht.
Normenkette
AO § 174 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Zweck die Instandsetzung, die Modernisierung und der Dachgeschossausbau des Mietwohngrundstücks D-Straße sowie die anschließende Verwaltung der Wohn- und Geschäftsräume ist.
Mit einem Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 7. Dezember 1998 zeigte diese für die Klägerin gemäß § 19 Abs. 1 Grunderwerbsteuergesetz - GrEStG - die „Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft (§ 1 Abs. 2 a GrEStG)“ an. Nach dem Inhalt des Schreibens sollte das für den Gesellschaftszweck notwendige Eigenkapital in Höhe von ... DM vollständig durch die Aufnahme neuer Gesellschafter aufgebracht werden; die Gründungsgesellschafter - die A-GmbH und der Kaufmann R. - sollten aus der Gesellschaft ausscheiden. Die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage für den Vorgang bezifferte die Klägerin mit rd. 16 Mio. DM und beantragte die Grunderwerbsteuer dementsprechend festzusetzen. Im Nachgang übersandte sie einen Emissionsprospekt für das Bauvorhaben D-Straße, der u. a. den Wortlaut des Gesellschaftsvertrags umfasste. Hinsichtlich der Einzelheiten hierzu wird auf Bl. 25 ff. der Grunderwerbsteuerakte Bezug genommen. Am 20. Januar 1999 wurde zur Urkundenrollen Nr. ... des Notars L. in Berlin verhandelt, dass der Gründungsgesellschafter R. ausgeschieden war und 19 neue Gesellschafter in die Klägerin eingetreten waren und Grundbuchberichtigung beantragt und bewirkt wurde; wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 51 ff. der Grunderwerbsteuerakte Bezug genommen. Diese Verhandlung wurde vom Notar angezeigt.
Der Beklagte setzte daraufhin die Grunderwerbsteuer mit Steuerbescheid vom 16. April 1999 entsprechend der Berechnung der Klägerin auf ... DM fest. Hinsichtlich des genauen Wortlauts des Steuerbescheids wird auf Bl. 90 der Grunderwerbsteuerakte Bezug genommen. Die festgesetzte Steuer wurde in voller Höhe errichtet.
Unstreitig erst nach Bestandskraft der Steuerfestsetzung beantragte die Klägerin mit einem am 26. Mai 1999 beim Beklagten eingegangenen Schreiben vom 21. Mai 1999 die Aufhebung des Steuerbescheides gemäß § 173 Abs. 1 Abgabenordnung - AO - mit dem Hinweis, zum Besteuerungszeitpunkt sei das Gesellschaftskapital lediglich zu 58,77326 % platziert gewesen, ein steuerbarer Vorgang im Sinne des § 1 Abs. 2 a GrEStG habe somit noch nicht stattgefunden.
Mit einem Schreiben vom 21. Februar 2000 zeigte die Klägerin sodann erneut einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang im Sinne des § 1 Abs. 2 a GrEStG an und verwies darauf, dass der vollständige (100 %ige) Gesellschafteraustausch im Februar 2000 vollendet und erst damit der Tatbestand des § 1 Abs. 2 a GrEStG verwirklicht worden sei. Sie beantragte nunmehr, die Grunderwerbsteuer auf der Grundlage eines Grundbesitzwertes von 2 Mio. DM mit 70.000,00 DM festzusetzen und den Steuerbescheid vom 16. April 1999 gemäß § 174 Abs. 1 AO aufzuheben.
Der Beklagte lehnte die Anträge vom 21. Mai 1999 (auf Änderung nach § 173 AO) und vom 21. Februar 2000 (auf erneute Steuerfestsetzung und nachfolgende Änderung des Erstbescheides) mit Verfügung vom 27. März 2000 ab. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem fristgerecht erhobenen Einspruch vom 17. April 2000. Zur Begründung führte sie an, dass die am 7. Dezember 1998 erfolgte Anzeige eines grunderwerbsteuerbaren Vorgangs ebenso fehlerhaft gewesen sei wie der daraufhin erteilte Steuerbescheid. Es sei nicht ersichtlich, weshalb der Beklagte die stattdessen begehrte richtige Grunderwerbsteuerfestsetzung verweigere. Nach § 174 Abs. 1 AO sei der fehlerhafte Steuerbescheid aufzuheben, wenn ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines Steuerpflichtigen berücksichtigt worden sei. § 174 AO ordne die Korrektur der Steuerfestsetzung und die Durchbrechung der Bestandskraft an. Der fehlerhafte Steuerbescheid vom 16. April 1999 sei aufzuheben.
Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück. Er verneinte die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 174 Abs. 1 AO. Dazu gehöre - so sinngemäß -, dass ein bestimmter Sachverhalt in zumindest zwei Steuerbescheiden mehrfach erfasst werde. Naben dem Steuerbescheid vom 16. April 1999 sei im Streitfall aber kein weiterer Steuerbescheid erteilt worden. Es bestehe auch kein Anlass, aufgrund der Anzeige der Klägerin vom 21. Februar 2000 ei...